Rousseff vor Ablösung: Marathon-Sitzung in Brasiliens Senat
Brasília (dpa) - Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff wird wahrscheinlich vom Amt suspendiert. Vor der entscheidenden Debatte am Mittwoch im Senat zeichnete sich eine klare Mehrheit von rund 50 Senatoren für diesen Schritt ab.
Wenn 41 von 81 Senatoren dafür stimmen, wird Rousseff zur juristischen Prüfung der Vorwürfe gegen sie für bis zu 180 Tage suspendiert.
Die Debatte soll rund 20 Stunden dauern. Jeder Senator bekommt 15 Minuten Zeit, um seine Beweggründe für oder gegen die Suspendierung zu erläutern. Die Sitzung beginnt am Mittwoch (11. Mai). Die Abstimmung werde daher erst am Morgen des Donnerstags (12. Mai) stattfinden, berichtete das Portal „O Globo“.
In der Phase einer möglichen Suspendierung würden die Vorwürfe gegen die Politikerin der linken Arbeiterpartei geprüft. Rousseff werden eine Verschleierung der Höhe des Haushaltsdefizits und Kreditverstöße vorgeworfen - sie hält den Schritt für völlig ungerechtfertigt und spricht von einem „Putsch“ ihrer Gegner. Vizepräsident Michel Temer will sie politisch beerben, unmittelbar nach einer Suspendierung, und ein Kabinett ohne die seit 2003 regierende Arbeiterpartei bilden.
Seine Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) hat mit Rousseff gebrochen. Er will eine Privatisierungswelle und drastische Reformen einleiten. Die Zahl von 31 Ministerien wollte er aus Spargründen zunächst deutlich verringern, inzwischen könnten es aber laut Medienberichten zur Sicherung von Unterstützung durch andere Parteien nur ein paar Ministerien weniger werden.
Im Herbst könnte der Senat Rousseff mit Zwei-Drittel-Mehrheit endgültig des Amtes entheben, Temer bliebe bis Ende 2018 Präsident. Würde diese Mehrheit verfehlt, würde Rousseff Temer wieder ablösen - und ein neues Kabinett bilden.
Brasilien steckt in einer tiefen Rezession und Regierungskrise. Auch Temer genießt nur Zustimmungswerte im einstelligen Prozentbereich, gegen rund 60 Prozent der Abgeordneten und Senatoren laufen Strafermittlungen. Parlamentspräsident Eduardo Cunha (PMDB) wurde vom Obersten Gerichtshof letzte Woche suspendiert, da er sein Amt zur Behinderung von Korruptionsermittlungen gegen ihn genutzt habe.
Cunha soll bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras für Bohrinseln Schmiergelder in Höhe von fünf Millionen US-Dollar kassiert haben. In der Schweiz waren Cunha zugeordnete Konten mit Summen in der Höhe aufgetaucht, die gesperrt wurden.
Im Petrobras-Skandal wird gegen Dutzende Politiker ermittelt, auch Rousseff ist zuletzt in das Visier geraten. Aber auch gegen Cunhas Interims-Nachfolger Waldir Maranhão laufen Korruptionsermittlungen. Seit Wochen ist das Land politisch gelähmt, während die ökonomische Krise sich verschlimmert; über 10 Millionen Menschen sind arbeitslos.