Rückschlag im Kampf gegen die Todesstrafe
Demokratien wie Indien und Japan haben 2012 Menschen hingerichtet. China führt die Statistik an.
Berlin. Bei seinen letzten Worten hatte Naw Kham so viel Aufmerksamkeit wie die ganzen 44 Jahre seines Lebens nicht. Drei Dinge durfte der Mann vor den Kameras des chinesischen Staatsfernsehens CCTV loswerden: „Ich vermisse meine Mutter. Ich will meine Kinder größer werden sehen.“
Und: „Ich will nicht sterben.“ Dann wurde der mutmaßliche Drogenbaron zur Hinrichtung geführt. Gnädigerweise blendete sich der Sender aus, bevor der Henker die Giftspritze setzte. Allen internationalen Appellen zum Trotz lässt China nach Schätzungen immer noch jedes Jahr mehrere tausend Menschen exekutieren. Die genaue Zahl ist geheim.
Im „Henkerstaaten“-Bericht von Amnesty International ist China deshalb auch dieses Jahr nur ein dunkler Fleck. Amnesty ist sich sicher: „China hat 2012 wieder mehr Menschen hingerichtet als der gesamte Rest der Welt zusammen.“ Weltweit kamen die Menschenrechtler auf mindestens 682 Tötungen von Staats wegen — zwei mehr als im Jahr zuvor.
Auch sonst gibt es in der Statistik auf den ersten Blick kaum Veränderungen. Auf Platz zwei der Liste liegt wieder der Iran, wo mindestens 314 Menschen gehenkt wurden. Es folgen der Irak (129), Saudi-Arabien (79), die USA (43) und der Jemen (28). In Europa vollstreckt nur noch Weißrussland (3) die Todesstrafe. Mit Ausnahme der USA sind das alles Mindestzahlen.
In Deutschland liegt die letzte Exekution mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske wegen „Hochverrats“ exekutieren. Die Bundesrepublik hatte die Todesstrafe schon 1949 aus der Verfassung gestrichen.
Mehr als zwei Drittel der 193 UN-Mitgliedsländer haben die Todesstrafe de facto abgeschafft. Doch gab es für die Hinrichtungsgegner schwere Rückschläge. So wurden in Demokratien wie Indien und Japan nach längerer Unterbrechung Todesurteile vollstreckt. Gambia schickte nach mehr als 25 Jahren Pause gleich neun Verbrecher in den Tod — an einem einzigen Tag.