Scharfe Kritik an Dijsselbloem „Schnaps und Frauen“-Spruch bringt Eurogruppenchef Ärger
Rom/Brüssel (dpa) - Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat mit einer abfälligen Bemerkung in südeuropäischen Ländern einen Sturm der Entrüstung und Rücktrittsforderungen ausgelöst.
Der Niederländer hatte in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag) zur Hilfe für EU-Krisenländer gesagt: „Als Sozialdemokrat halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.“
Selbst EU-Kommissarin Margrethe Vestager ging am Mittwoch auf Distanz. „Ich hätte das nicht gesagt und ich halte es für falsch“, sagte sie in Brüssel. Dijsselbloem selbst reagierte erschrocken. Er denke jedoch sicher nicht an einen Rücktritt, erklärte er in Den Haag.
Italiens ehemaliger Premierminister Matteo Renzi forderte seinen Rücktritt. „Leute wie Dijsselbloem (...) verdienen nicht die Rolle, die sie einnehmen“, schrieb er am Mittwoch auf Facebook. Je eher er zurücktrete, desto besser sei es. Die Bemerkung des 50 Jahre alten Eurogruppenchefs nannte er „dumm“.
Der Eurogruppenchef selbst erklärte die umstrittene Bemerkung mit seiner „holländischen Direktheit“, die nicht immer geschätzt und verstanden werde. „Ich bedaure es, wenn sich jemand durch diese Bemerkung angegriffen fühlt“, sagte der niederländische Finanzminister. Er habe jedoch „nicht die Absicht zurückzutreten.“
Nach dem Interview hatten vor allem südeuropäische Politiker empört reagiert und seinen Rücktritt gefordert. Spanische Politiker bezeichneten die Aussage als „rassistisch und machohaft“. Der Sprecher der griechischen Regierung sagte, die Aussage vertiefe den Graben zwischen Nord- und Südeuropa weiter. Auch die Grünen im EU-Parlament sprachen von einer „bitterbösen Beleidigung“, die die EU spalte. Ex-EU-Kommissionspräsident Romano Prodi scherzte, er könne ein wenig Neid in Dijsselbloems Zitat erkennen.
Dijsselbloem wies die Kritik zurück. Er habe allgemein über die Solidarität in der Eurozone gesprochen und nicht bestimmte Länder kritisiert. Im Europäischen Parlament hatte er bereits am Vortag Forderungen nach einer Entschuldigung zurückgewiesen.
Die Bundesregierung hielt sich mit Kommentaren zurück. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schätze die Arbeit Dijsselbloems als Chef der Eurogruppe sehr, sagte eine Sprecherin in Berlin. Es werde auch für die nächsten Treffen von einem „voll handlungsfähigen“ Eurogruppenvorsitz ausgegangen. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich nicht konkret äußern. Er kenne das Interview nicht im Wortlaut und nicht in der vollen Fassung, sagte er.
Doch andernorts rollte der Proteststurm weiter: Der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten im Europaparlament, der Italiener Gianni Pittella, nannte die Aussagen beschämend. „Ich frage mich wirklich, ob eine Person mit dieser Überzeugung immer noch für fähig gehalten wird, das Amt des Eurogruppenchefs auszuüben.“
Manfred Weber, Vizechef der CSU und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, twitterte: „In der Eurozone geht es um Verantwortung, Solidarität aber auch um Respekt. Kein Platz für Stereotype.“ Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos sagte, er sei sich sicher, dass Dijsselbloem seine Worte bereue. De Guindos gilt als möglicher Kandidat für dessen Nachfolge.
Dijsselbloem ist bis Januar 2018 als Eurogruppenchef gewählt. Weil seine sozialdemokratische Partei bei der Parlamentswahl in den Niederlanden eine heftige Niederlage erlitt, wird er wohl einer künftigen Regierung nicht mehr angehören. Zumindest übergangsweise will er dennoch an der Spitze der Eurogruppe bleiben. Bei einer Sitzung des Gremiums am Montag hatten ihn Kollegen noch überschwänglich gelobt, auch Bundesfinanzminister Schäuble.
In Griechenland nahmen viele Menschen die Aussagen mit Humor. Dieser Mann kenne einfach keinen Spaß, hieß es in Sozialen Netzwerken. „Sein ganzes Leben ist ein einziger verregneter griechischer Dienstagabend!“ Oder auch: „Sorry, dass wir stattdessen nicht in Kartoffelschäler investiert haben“ und noch dazu: „Nicht nur Alkohol und Frauen - ich hab auch Drogen gekauft!“