Schulz rät Athen zu Stopp von Attacken gegen Merkel
Berlin (dpa) - Im Ringen um Erleichterungen beim Schuldenabbau hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz der neuen griechischen Regierung geraten, Angriffe auf Bundeskanzlerin Angela Merkel zu beenden.
Er habe Ministerpräsident Alexis Tsipras „nachdrücklich ans Herz gelegt, verbal abzurüsten“, sagte Schulz der Zeitung „Welt am Sonntag“. „Schließlich ist es unter anderem die Bundesregierung, die ihm wird helfen müssen.“ Es möge bei manchen vielleicht gut ankommen, „auf die Deutschen einzuprügeln — aber es ist auch kurzsichtig und bringt uns nicht weiter.“
Der EU-Parlamentspräsident bemängelte, er könne die Konzeption der neuen Regierung in Athen „im Moment noch nicht vollständig erkennen“. Dies eröffne aber auch die Chance, gemeinsam eine konstruktive Richtung einzuschlagen, sagte Schulz.
Griechenland wird seit 2010 mit internationaler Finanzhilfe vor der Pleite bewahrt. Im Gegenzug hat sich das Land zu massiven Einsparungen und Reformen verpflichtet. Tsipras sieht diese als übertrieben an. Deutschland kommt als wirtschaftsstärkstes Euroland im Spar-Streit eine entscheidende Rolle zu. Daher steht die Bundesregierung in der Wahrnehmung vieler Griechen nicht gut da.
Derweil hat Kanzlerin Merkel trotz der scharfen Töne aus Athen der neuen griechischen Regierung Unterstützung zugesagt. „Wir, also in Deutschland und die anderen europäischen Partner, warten jetzt erst einmal ab, mit welchem Konzept die neue griechische Regierung auf uns zukommen wird“, sagte Merkel dem „Hamburger Abendblatt“.
Am Freitag war es in Athen zu einem Eklat zwischen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und dem griechischen Finanzminister Gianis Varoufakis gekommen. Athen werde nicht mehr mit der „Troika“ der Spar-Kontrolleure zusammenarbeiten, erklärte der neue Ressortchef.
Wenn Reformanstrengungen unternommen würden, werde es „auch weiterhin Solidarität für Griechenland“ geben, sagte die wegen des harten Sparkurses bei vielen Griechen unbeliebte Bundeskanzlerin und betonte: „Ich freue mich darauf, die Freundschaft unserer beiden Völker weiter stärken zu können.“ Gleichzeitig sprach sie sich - ebenso wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der „Welt“ - erneut gegen einen weiteren Schuldenschnitt aus.
Die neue Links-Rechts-Regierung in Athen bereitet nach dpa-Informationen derzeit Vorschläge für ein eigenes Reformprogramm zur Bewältigung der Schulden- und Wirtschaftskrise des Landes vor. Dies werde alle Seiten zufriedenstellen, hieß es aus Regierungskreisen am Samstag.
Der am vergangenen Sonntag gewählte Ministerpräsident Tsipras will in der kommenden Woche vor allem südeuropäische Staaten besuchen, um seine Vorschläge zu präsentieren. Tsipras wird am Mittwoch (4.2.) nach Paris zu einem Treffen mit dem französischen Präsidenten François Hollande reisen, wie dpa erfuhr. Am Dienstag ist ein Treffen Tsipras' mit dem italienischen Regierungschef Matteo Renzi in Rom geplant.
Der deutsche EU-Kommissar Günter Oettinger (CDU) warf der griechischen Regierung ein „freches und unverschämtes Auftreten“ vor. „Wir dürfen Athen deshalb jetzt nicht abstrafen, aber es hat keine Verbesserung zu erwarten“, sagte Oettinger am Samstag bei der CDU-Veranstaltung im hessischen Künzell. Weitere Unionspolitiker übten scharfe Kritik am Bruch Athens mit der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds.
Der Berliner Koalitionspartner SPD warnte vor übereilten Reaktionen: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Ralf Stegner am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Es gelte, die weiteren Gespräche zwischen Brüssel und Athen abzuwarten. Nach Einschätzung von Linksfraktionschef Gregor Gysi könnten auch andere finanzschwache Länder auf Distanz zum bisherigen Kurs der Euro-Retter gehen. „Die Troika-Politik der Europäischen Union ist gescheitert. Und damit ist Merkel hier gescheitert, denn es ist ihre Politik“, sagte Gysi der dpa.
Als eine erste Maßnahme zum Stopp des bisherigen Sparkurses entließ die Athener Regierung die Führung der griechischen Privatisierungsbehörde. Dies berichtete am Samstag die griechische Presse. Wie dpa aus Kreisen des Finanzministeriums erfuhr, sei ein Verkauf staatlicher Unternehmen künftig nur dann vorgesehen, wenn dadurch tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Privatisierungen sind ein wichtiger Teil des mit den Europartnern vereinbarten Programms - Kredite nur gegen Reformen - für Griechenland. Allerdings blieben das Interesse von Investoren und dementsprechend die Erlöse bisher deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück.