Verhandlungen über Fortführung Schwere Regierungskrise in Österreich
Wien (dpa) - Die rot-schwarze Koalition in Österreich will sich mehr Zeit als bisher geplant für die etwaige Lösung der dramatischen Regierungskrise nehmen.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) verschiebe wegen der Regierungsverhandlungen seine von Sonntag bis Dienstag geplante Reise nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete, sagte ein Regierungssprecher am Freitag. Kern selbst hatte bereits angedeutet, dass sein ursprünglich am Freitag auslaufendes Ultimatum an die konservative ÖVP nicht so eng gesehen werden müsse.
Spitzenpolitiker von sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP setzten unterdessen den Verhandlungsmarathon über Fortbestand oder Scheitern ihres Bündnisses fort.
Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen war die Stimmung äußerst wechselhaft. „Da gibt's Momente, da findet man, es läuft alles ganz super, dann gibt es Momente, wo man das Gefühl hat, das steht kurz vorm Platzen“, sagte SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder, der zum engsten Verhandlungsteam gehört. Am Vormittag wurde unter anderem über gemeinsame Projekte beim Thema Bildung verhandelt. Später folgten die Felder Umwelt und Innovationen sowie Wirtschaft und Arbeit.
Ziel der Gespräche ist es auszuloten, ob sich die SPÖ unter Bundeskanzler Kern und die ÖVP mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an der Spitze auf ein erneuertes Regierungsprogramm einigen können. Damit wäre ein Fortbestand der Regierung bis zur regulären Wahl im Herbst 2018 möglich.
Am Nachmittag war das Treffen einer wichtigen „Sechser-Runde“ noch nicht absehbar. Zur Runde gehören Kanzler und Vizekanzler, die beiden Regierungskoordinatoren sowie der Finanzminister und der SPÖ-Fraktionschef. Der Zeitplan sei so ins Rutschen geraten, dass dieses möglicherweise vorentscheidende Treffen auch erst am Samstag stattfinden könne, hieß es.
Schon in der Nacht hatten die Spitzenpolitiker acht Stunden lang sondiert, ob das Bündnis angesichts tiefgreifender Differenzen in vielen inhaltlichen Punkten noch weiterbestehen könne.
Kern meinte, dass es in vielen Punkten Fortschritte gegeben habe. Vieles sei aber noch ungeklärt. „Es wird nicht reichen, wenn wir uns bloß in Absichtserklärungen ergehen“, sagte der 51 Jahre alte Regierungschef.
Er zeigte sich offen für eine weitere Verschärfung der Asylpolitik, wie sie die ÖVP zuletzt mit einer Halbierung der Obergrenze für Asylverfahren gefordert hat. Er verlangte aber, dass entsprechende Schritte in der Praxis umsetzbar sein müssten. ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka stehe da in der Pflicht, spielte Kern den Ball an die ÖVP zurück. Die große Koalition regiert seit Ende 2013.