Schwere Zeiten für China: Reformen sollen Wachstum ankurbeln

Peking (dpa) - Mit ehrgeizigen Reformen will sich China gegen die schwächere Konjunktur stemmen. Zum Auftakt der diesjährigen Sitzung des Volkskongresses in Peking bereitete Premier Li Keqiang das Milliardenvolk auf schwierigere Zeiten vor.

Schwere Zeiten für China: Reformen sollen Wachstum ankurbeln
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„Der Abwärtsdruck auf die Wirtschaft steigt.“ Er streute aber auch Zuversicht, dass mit Innovation, der Umstrukturierung der Wirtschaft und Beseitigung von Überkapazitäten neue Triebkräfte geschaffen werden können. Chinas Wirtschaft habe „ein großes Potenzial und viel Raum für Wachstum“.

Vor den knapp 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes senkte der Regierungschef aber die Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 6,5 bis 7 Prozent. Im Vorjahr war die Wirtschaft mit 6,9 Prozent gewachsen - so langsam wie seit 25 Jahren nicht mehr. Der neue Fünf-Jahres-Plan, den Li Keqiang vorlegte, sieht gleichwohl ein langfristiges Wachstum von „mindestens 6,5 Prozent“ jährlich bis 2020 vor. Ungeachtet der konjunkturellen Probleme bekräftige der Premier auch das Ziel der Partei, bis 2020 die Einkommen und die Wirtschaftsleistung gegenüber 2010 zu verdoppeln.

Angesichts der schlechteren Finanzlage wachsen die Militärausgaben in diesem Jahr mit 7,6 Prozent so langsam wie seit sechs Jahren nicht mehr. Wegen des laufenden Umbaus der Volksbefreiungsarmee und der Territorialstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer steigen die Verteidigungsausgaben allerdings weiterhin schneller als die Gesamtausgaben im neuen Haushalt mit sieben Prozent. Das Militär soll „moderner und besser strukturiert“ werden, sagte Li Keqiang. Die Kampfbereitschaft an allen Fronten müsse gestärkt werden.

Nach der Wahl der Oppositions-Kandidatin Tsai Ing-wen zu neuen Präsidentin Taiwans warnte Chinas Regierungschef vor „separatistischen Aktivitäten für eine Unabhängigkeit“ der Insel. Der Konsens von 1992 bleibe die politische Grundlage für die Beziehungen, sagte Li Keqiang. Danach sind sich Taipeh und Peking einig, dass es nur „ein China“ gibt, wobei sie unterschiedliche Vorstellungen akzeptieren, was darunter verstanden wird. Tsai Ing-wen hat den Grundsatz bislang nicht ausdrücklich bekräftigt und geht auf Distanz zu Peking, das die demokratische Inselrepublik nur als abtrünnige Provinz ansieht.

In seinem Rechenschaftsbericht zeichnete Li Keqiang ein düsteres Bild der Lage der chinesischen Wirtschaft. Der Welthandel sei schwach. „Geopolitische Risiken steigen“, sagte Li Keqiang. „Es gibt wachsende Instabilitäten und Unsicherheiten im externen Umfeld Chinas.“ Auch in China hätten sich Probleme und Risiken über die Jahre angesammelt und seien offensichtlicher.

„Wir sind uns sehr genau bewusst, dass unser Land mit vielen Schwierigkeiten und Problemen auf der Suche nach Entwicklung konfrontiert ist.“ Die Umstrukturierung sei schwierig, das Wachstum langsamer. Die Transformation der Triebkräfte der Wirtschaft stoße auf Hindernisse.

China werde sich von den Problemen „aber nicht einschüchtern lassen“, sagte Li Keqiang. Er plädierte für mehr Markt und weniger Staat, will den heimischen Konsum ankurbeln und den Dienstleistungssektor als Wachstumskräfte ausbauen. Die Verringerung der Kluft zwischen Stadt und Land sei nicht nur strukturell notwendig, sondern auch wichtig, um Entwicklungspotenzial freizusetzen. Die Urbanisierung werde vorangetrieben. 50 Millionen Arbeitsplätze sollen bis 2020 in den Städten geschaffen werden.

Angesichts überschüssiger Produktion besonders in der Stahl- und Kohleindustrie sagte der Regierungschef, das Angebot müsse sich besser auf die Nachfrage einstellen. Der Ausbau von Kapazitäten müsse strenger kontrolliert werden. Das Problem von „Zombie-Fabriken“ mit großen Überkapazitäten solle „pro-aktiv, aber klug“ durch Zusammenschlüsse, Umorganisationen, Schuldenverlagerungen und Bankrotte gelöst werden. Die Regierung werde 100 Milliarden Yuan (14 Milliarden Euro) bereitstellen, auch damit entlassene Arbeiter entschädigt, umgesiedelt und unterstützt werden können.