Snowden sucht Schutz vor US-Justiz
Berlin/Moskau (dpa) - Die Suche nach einer sicheren Zuflucht wird für den von den USA wegen seiner Enthüllungen gejagten Ex-Geheimdienstler Edward Snowden immer schwieriger. Die Bundesregierung lehnte am Dienstag die Aufnahme des US-Bürgers ab.
Der 30-Jährige hatte Deutschland und 19 weitere Länder um politisches Asyl gebeten. Seinen Antrag in Russland zog er zurück. Nach Kreml-Angaben wollte er nicht auf die Bedingungen von Präsident Wladimir Putin eingehen, weitere Enthüllungen über die gigantische Datensammelei des US-Geheimdienstes NSA einzustellen.
Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium in Berlin prüften, ob eine Aufnahme aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen möglich sei. Am Abend teilten sie mit: „Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor.“ Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte schon zuvor die Hoffnungen gedämpft. Snowden könne kein Asyl im eigentlichen Sinne beantragen, weil er dazu bereits in Deutschland sein müsste. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte versichert, Snowdens Antrag werde streng nach Recht und Gesetz geprüft.
Die Grünen forderten zuvor laut „Spiegel Online“ von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Aufenthaltserlaubnis für Snowden. Er habe Praktiken enthüllt, die gegen elementare Grundrechte verstießen und einen schweren Vertrauensbruch zwischen Verbündeten darstellten. Es bestünden sowohl dringende humanitäre Gründe als auch das politische Interesse der Bundesrepublik. Linke-Chefin Katja Kipping sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Snowdens Verhalten zeugt nicht nur von Zivilcourage - es ist dem eines Friedensnobelpreisträgers würdig.“
Berlin und das EU-Parlament erhöhten den Druck auf die USA, die mutmaßliche Datenspionage auch in diplomatischen Einrichtungen aufzuklären. Die Fraktionsvorsitzenden des EU-Parlaments wollen am Donnerstag über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses entscheiden. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte der ARD: „Die Vereinigten Staaten von Amerika spionieren jeden und alles aus und meinen, das sei rechtens.“ Das sei aber nicht rechtens, sondern schlicht eine Provokation.
Bundeskanzlerin Merkel verurteilte Datenspionage durch den US-Geheimdienst. Für die Wirtschaft müsse es verlässliche Rahmenbedingungen geben. Dazu gehöre, „dass man nicht ausspioniert wird - egal von wem“, sagte die Regierungschefin am Dienstag beim Besuch des Maschinenbauers Trumpf in Ditzingen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wirtschaftsspionage unter engen Partnern ist nicht akzeptabel. (...) Sollte der Verdacht zutreffen, muss das abgestellt werden.“
Bundesinnenminister Friedrich sagte, bisher gebe es keine Beweise oder Fakten, sondern nur Medienberichte, dass die Bundesregierung, deutsche Botschaften oder deutsche Internetknoten ausgespäht wurden. Merkel sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch): „Wenn sich diese Berichte im Zuge unserer Aufklärungsarbeiten bestätigen sollten, wäre das ein gravierendes Vorkommnis, denn das Abhören von Freunden mit Wanzen in unseren Botschaften und EU-Vertretungen geht nicht. Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.“
Am Wochenende reist eine deutsche Delegation in die USA, um Aufklärung zu erhalten. Außenminister Westerwelle telefonierte nach Informationen von „Spiegel online“ mit US-Außenminister John Kerry und mahnte zügige Antworten an.
Die EU-Kommission hält ungeachtet der Spionagevorwürfe gegen Washington am Start der Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA fest. Wie eine Sprecherin der EU-Behörde am Dienstag nach der Sitzung des Kollegiums in Straßburg mitteilte, werde man aber von EU-Seite aus deutlich machen, „dass es für einen Erfolg einer solchen umfassenden und ehrgeizigen Verhandlung Vertrauen, Transparenz und Klarheit zwischen den Gesprächspartnern geben muss“.
Vor Deutschland lehnten auch mehrere EU-Länder und Indien den Asyl-Antrag von Snowden ab. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro rief in Moskau dazu auf, Snowden unter internationalen Schutz zu stellen: „Er hat niemanden getötet, sondern nur die Wahrheit gesagt.“ Asyl in Venezuela hat Snowden laut Maduro nicht beantragt. Ecuador, wo Snowden ebenfalls Asyl beantragt hat, rückte von ihm ab. Sein Land prüfe das Gesuch derzeit noch nicht, sagte Präsident Rafael Correa der Zeitung „The Guardian“. Wikilieaks-Gründer Julian Assange wurde von Ecuador Asyl gewährt.
Snowden erhob der Organisation Wikileaks zufolge schwere Vorwürfe gegen sein Heimatland. In einer mit seinem Namen unterzeichneten Mitteilung beklagte er in der Nacht zum Dienstag, dass die USA ihm sein Menschenrecht auf Asyl nehmen wollten. Die USA verlangen von Russland die Auslieferung Snowden. Moskau will ihn aber nicht überstellen, weil in den USA die Todesstrafe verhängt werden könne, sagte Putins Sprecher Peskow der Agentur Interfax zufolge.