So viel verdienen Europas Angestellte
Die Koalition streitet über den Mindestlohn. In vielen EU-Ländern gibt es ihn längst. Eine Übersicht.
Düsseldorf. Die Regierungsparteien haben es sich in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: Zum 1. Januar 2015 soll in Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde eingeführt werden.
Zurzeit ist Deutschland eines von sechs Ländern in der Europäischen Union, die keinen gesetzlichen Mindestlohn eingeführt haben. Zurzeit bekommen bundesweit rund 5,6 Millionen Beschäftigte weniger als die 8,50 Euro.
Man kann die Mindestlöhne in Europa in drei Gruppen einteilen. Den höchsten Mindestlohn gibt es in Luxemburg mit 11,10 Euro (Stand Oktober 2013/siehe Grafik). Zu dieser Gruppe gehören auch Frankreich (9,43 Euro) und Großbritannien (7,78 Euro).
In der mittleren Gruppe gibt es Mindestlöhne von 2,01 Euro in Tschechien bis 4,53 Euro in Slowenien. In der Gruppe mit den niedrigsten Mindestlöhnen befindet sich etwa Bulgarien (0,95 Euro).
Ein Mindestlohn von 95 Cent wie in Bulgarien macht die Arbeiter nicht reich. Laut einer Analyse Thorsten Schultens, Wissenschaftler im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, liegen viele Mindestlöhne unterhalb der von Eurostat festgelegten Niedriglohnschwelle (66 Prozent des mittleren Lohns). Der gesetzliche Mindestlohn lege häufig nur einen „Armutslohn“ fest.
Tatsächlich sind europaweit 17 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor tätig. Eines der größten Niedriglohnländer ist Deutschland. Dort sind es laut Schulten 22,2 Prozent der Beschäftigten. In den skandinavischen Ländern, die auch keinen Mindestlohn haben, ist der Anteil geringer (Schweden: 2,5 Prozent, Dänemark: 7,7 Prozent).
Dort gibt es aber flächendeckende tarifliche Mindestlohnvereinbarungen. In Deutschland gibt es etwa für Maler, Gebäudereiniger oder Lackierer eine solche tarifliche Branchenvereinbarung.
In Deutschland sind die Lager gespalten: Während etwa der Bund der Arbeitgeber und einige Wirtschaftsinstitute strikt gegen einen Mindestlohn sind, weil das einen Stellenabbau zur Folge habe, geht eine Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) davon aus, dass Mindestlöhne nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen führen müssen.
Untersucht wurde der Mindestlohn in der Baubranche. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin glaubt, dass ein flächendeckender Mindestlohn die Lohnspreizung in Deutschland verringern kann. Werde er vorsichtig angesetzt, könnten größere Arbeitsplatzverluste wahrscheinlich vermieden werden, besagt die DIW-Studie. Vorsichtig könnte bedeuten, dass es Ausnahmen vom Mindestlohn gibt — wie von der CDU angeregt.
Vorbild hierbei könnte Großbritannien sein. Dort gab es nach der Einführung des Mindestlohns 1999 nicht den befürchteten Stellenabbau. Allerdings stieg man damals mit nur 3,60 Pfund (4,35 Euro) ein. Außerdem gelten für Auszubildende und Angestellte bis 22 Jahre weitaus niedrigere Sätze.