Syrische Konfliktparteien einigen sich auf Hilfen für Homs
Genf (dpa) - Wer UN-Vermittler Brahimi zuhört, spürt die gewaltige Last auf seinen Schultern. Es ist ein schwieriges Unterfangen, die Kontrahenten zu Kompromissen zu zwingen. Aber einen ersten Erfolg gibt es doch.
Bei den syrischen Friedensgesprächen in Genf hat UN-Vermittler Lakhdar Brahimi als ersten Verhandlungserfolg Hilfen für Zivilisten im belagerten Homs angekündigt. Frauen und Kinder könnten die Stadt ab sofort verlassen, hätten die Vertreter von Regierung und Opposition vereinbart. Seit mehr als einem Jahr kann die Stadt kaum noch mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt werden. Brahimi verkündete am Sonntag in Genf, dass es bei den Gesprächen über das Schicksal gefangener Regierungsgegner erste Fortschritte gebe.
Unklar blieb das Schicksal der männlichen Bevölkerung in Homs. „Sie (die Regierung) will eine Liste mit den Namen der Zivilisten. Sie will sichergehen, dass es keine bewaffneten Kämpfer sind“, erläuterte Brahimi. In syrischen Oppositionskreisen wurde die Befürchtung geäußert, Männer in der von Regierungstruppen umstellten Stadt könnten kein freies Geleit erhalten.
Drei Jahre nach Ausbruch der Gewalt im Land hatten die syrische Regierung und Oppositionsvertreter am Wochenende in Genf erstmals direkt miteinander verhandelt. Nach einer Eröffnungssitzung in eisiger Atmosphäre stritten die Delegationen beider Seiten auch über Hilfslieferungen für hungernde Menschen in der von Regierungstruppen belagerten Stadt Homs.
Die Regierung habe die Gegenseite aufgefordert, ihr eine Liste mit den Namen von Oppositionellen zu geben, die sich landesweit in der Gewalt der regimetreuen bewaffneten Gruppen befänden.
Die Vertreter der verfeindeten Bürgerkriegsparteien saßen bei den Verhandlungen in einem Raum, aber an getrennten Tischen. Die Delegierten richteten das Wort immer nur an UN-Vermittler Brahimi, der zu einer Art Pendeldiplomatie auf engstem Raum gezwungen war. Brahimi warb um Verständnis für die langsamen Fortschritte seiner Verhandlungsbemühungen. Ein überhastetes Vorgehen bringe nur Schaden. „Man kann eine Stunde Zeit gewinnen und zugleich eine Woche verlieren“, sage Brahimi am Sonntagabend.
Die Friedensgespräche hatten am Freitag begonnen. Deren Ziel ist ein Ende des knapp dreijährigen Bürgerkrieges, der zum Tod von bislang mehr als 130 000 Menschen führte. Darüber hinaus soll die Opposition an einer Übergangsregierung beteiligt werden. Dagegen hat die Delegation von Präsident Baschar al-Assad mehrfach Vorbehalte geäußert.
Brahimi hatte geplant, dass Hilfslieferungen für Homs und der Gefangenenaustausch möglichst rasch umgesetzt werden sollten. Das Kalkül der Vereinten Nationen lautete, auf diesem Weg Vertrauen zu schaffen, um danach ein noch schwierigeres Thema anzugehen: die Bildung einer Übergangsregierung. „Extrem schwierig, aber besser als erwartet“, lautete das Fazit der meisten westlichen Beobachter.
Die Opposition hatte am Samstag eine lokale Waffenruhe und einen „humanitären Korridor“ für die belagerten Viertel von Homs vorgeschlagen, da die Menschen dort seit November 2012 weitgehend von der Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten abgeschnitten sind. Beobachter vermuteten, die Opposition habe diesen Vorschlag gemacht, weil sie auf die Rebellen in Homs mehr Einfluss hat als etwa auf die Kampfverbände in der Stadt Aleppo.
Syriens Außenminister Walid al-Muallim hatte hingegen bei einem Besuch in Moskau vor einigen Tagen eine mögliche Waffenruhe für Aleppo ins Gespräch gebracht.
Die Opposition forderte zudem die Freilassung von rund 1300 minderjährigen Gefangenen und etwa 1000 inhaftierten Frauen. Sollten sich beide Seiten auf einen landesweiten Gefangenenaustausch einigen, dann wäre dies der erste dieser Art seit Beginn des Bürgerkrieges. Bisher hatte die Regierung nur politische Gefangene freigelassen, damit die Rebellen ausländische Geiseln gehen lassen, etwa aus Russland, dem Iran und dem Libanon. Diesmal sollen von den Rebellen verschleppte syrische Soldaten und Zivilisten freikommen, die dem Assad-Regime nahestehen.
Ein Mitglied der Regierungsdelegation sagte, um Hilfslieferungen für Homs zu organisieren, seien mehrere Tage nötig. Mundher Akbik, ein Mitglied der Delegation der Opposition, bestritt dies. Er sagte: „Die einzigen, die verhindern können, dass die Konvois in Homs ankommen, sind die Truppen des Regimes. Denn nur sie haben an den Zufahrtswegen Straßensperren und Militär.“ Die Opposition sei sofort bereit, eine lokale Waffenruhe in Homs durchzusetzen, sagte Akbik.
Auf die Kämpfe zwischen Regimetruppen und Rebellen in Syrien haben die Friedensgespräche bislang keinen Einfluss.