Syrische Opposition plant Post-Assad-Ära

Istanbul/Damaskus/Brüssel (dpa) - Die syrische Opposition hat sich bei ihrer bislang größten Konferenz seit Beginn des Aufstandes auf eine Strategie zum Sturz des Regimes geeinigt.

Zum Abschluss ihres Treffens in der Türkei erklärten sie in der Nacht zum Sonntag, die politische Führung unter Präsident Baschar al-Assad sei reformunfähig und versuche, jeden Protest mit Gewalt zu ersticken. Deshalb sei ein friedlicher Machtwechsel der einzige Weg. Eine ausländische Militärintervention lehnen die Regimegegner ab.

Ursprünglich hätte am Samstag parallel zu der Konferenz am Stadtrand von Istanbul auch eine Konferenz in Damaskus stattfinden sollen. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurde dies jedoch durch ein Massaker am Tagungsort verhindert. „Am Freitag um 15.00 Uhr kam eine Patrouille der Sicherheitskräfte und erschoss im Al-Kabun-Viertel acht Menschen, sieben weitere starben später an den Folgen ihrer Schussverletzungen“, sagte der ehemalige politische Häftling Walid al-Bunni der Nachrichtenagentur dpa telefonisch aus Damaskus. Dutzende von Anwohnern und Wächtern seien verletzt worden. Das Treffen wurde daraufhin abgesagt.

Am Samstag gingen in Al-Kabun nach Angaben von Regimegegnern Tausende auf die Straße, um die Opfer vom Vortag zu Grabe zu tragen und gegen Assad zu demonstrieren. Aktivisten berichteten von Dutzenden von Festnahmen am Wochenende, vor allem in Damaskus, der Provinz Idlib und der Stadt Zabadani nahe der Grenze zum Libanon.

Heftigen Streit gab es bei der Konferenz in Istanbul über die Frage, ob man schon jetzt eine Übergangsregierung bilden solle. Einige ältere Oppositionelle sagten, da das geplante Treffen in Damaskus nicht habe stattfinden können, sei es falsch Repräsentanten zu wählen. Schließlich wählte man 25 Vertreter, zu denen auch der aus Damaskus angereiste Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh gehört.

Bevor weitere Schritte unternommen werden, will man abwarten, dass die Opposition in Damaskus demnächst 50 eigene Vertreter benennt. Da ein Treffen zu gefährlich sei, müsse möglicherweise via Internet gewählt werden, erklärte ein Dissident. Die in Syrien im Untergrund lebende Regimegegnerin Suhair al-Attasi und ein Teil der Jugendbewegung hatten zuvor erklärt, es sei zu früh für die Wahl einer Vertretung, die im Namen der Aufständischen spricht.

Die Organisatoren der Konferenz in Istanbul legten einen Vier-Punkte-Plan vor: Die Aktionen gegen das Regime sollen verstärkt werden, mit dem Ziel es ohne eine ausländische Militärintervention zu stürzen. Die Macht soll an eine nationale Übergangsregierung übertragen und der Polizeistaat aufgelöst werden. Dann soll ein ziviler demokratischer Staat geschaffen werden, der die Rechte der Jugend und der Frauen respektiert. Kurden, Araber, Turkmenen, Muslime und Christen sollen gleiche Rechte haben.

Bei Massendemonstrationen am Freitag waren nach Angaben von Menschenrechtlern etwa 40 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden. Am Wochenende sollen weitere sechs Zivilisten erschossen worden sein. Die Regimegegner schätzen die Gesamtzahl der Toten seit Mitte März auf 2000.

Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag in Brüssel Assad aufrufen, Gewalt und Unterdrückung in seinem Land zu beenden und Reformen einzuleiten. Neue Strafmaßnahmen gegen das Regime in Damaskus sind beim Juli-Treffen der Ressortchefs nicht geplant. Die Union hatte erst im Juni gegen weitere Regimevertreter einen Einreisebann verhängt und deren Konten gesperrt.