Thailand: Regierungsbildung trotz Betrugsvorwürfen
Bangkok (dpa) - Sie ist erst seit sechs Wochen in der Politik, nun kontrolliert Yingluck Shinawatra mit Koalitionspartnern drei Fünftel des Parlaments. Die Versöhnung des tief gespaltenen Thailands habe höchste Priorität, sagt sie.
Vieles hängt dabei von ihrem Bruder ab.
Thailands künftige Regierungschefin Yingluck Shinawatra wird mit einer satten Mehrheit im Parlament regieren. Die 44-Jährige einigte sich am Montag mit vier weiteren Parteien auf eine Koalitionsregierung, die auf 299 der 500 Sitze im Parlament kommt. Wann die neue Regierung vereidigt wird, entscheidet die Wahlkommission. Sie untersucht erst einmal mehr als 1900 Beschwerden wegen Wahlbetrugs.
Die Pheu Thai-Partei hatte bei der Wahl am Sonntag zwar mit 265 Mandaten die absolute Mehrheit erreicht und die Regierungspartei geschlagen, wollte den Vorsprung aber ausbauen, um gegen Attacken der Opposition gefeit zu sein. „299 ist eine schöne Zahl“, meinte Yingluck. Sie nannte die nationale Versöhnung, ein Ankurbeln der Wirtschaft, und den Kampf gegen Korruption als Prioritäten ihrer Regierung.
Die politisch unerfahrene Geschäftsfrau, die erst vor sechs Wochen in die Politik ging, gewann mit den Koalitionspartnern politische Schwergewichter wie etwa den früheren Regierungschef Banharn Silpa-archa. Er ist Chefberater der Partei Chartthaipattana. „Die nächste Regierung muss sich auf die Versöhnung konzentrieren, sonst überlebt die Wirtschaft nicht und es gibt wieder Straßenproteste“, sagte er nach einem Bericht der „Bangkok Post“.
Das Land ist tief gespalten zwischen Anhängern des 2006 gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra, Yinglucks Bruder, und dessen Gegnern. Beide Seiten hatten die Hauptstadt Bangkok in den vergangenen Jahren durch wochenlange Straßenproteste teilweise lahm gelegt. Armeechef Prayuth Chan-ocha, der sich im Wahlkampf eindeutig auf die Seite der geschlagenen Regierungspartei gestellt hatte, äußerte sich am Montag nicht. Es hat einen neuen Putsch mehrfach ausgeschlossen. Es gebe keine politische Stellungnahme, bis die neue Regierung im Amt sei, teilte ein Sprecher mit.
Yingluck will die Arbeit Wahrheits- und Versöhnungskommission vorantreiben, die die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen Thaksin-Anhängern und Sicherheitskräften im vergangenen Jahr untersucht. Dabei waren 92 Menschen ums Leben gekommen - überwiegend Thaksin-Anhänger. Die Regierung werde eine Arbeitsgruppe dazu einsetzen. Sie wies Spekulationen über eine bevorstehende Amnestie zurück, die ihrem Bruder die Rückkehr aus dem Exil ermöglichen würde.
Die Wahlkommission will die mehr als 1900 Beschwerden über angeblichen Wahlbetrug in den kommenden zwei Wochen prüfen. Die meisten stammten nach Angaben der Kommission aus dem Norden und Nordosten des Landes - Bastionen der siegreichen Pheu Thai.
Unterdessen trat der Wahlverlierer, der noch regierende Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva, als Parteichef zurück. Seine Demokraten kommen im neuen Parlament nur noch auf 159 Sitze.
Yingluck übernehme große Verantwortung dafür, dass der Reformkurs in Thailand fortgesetzt und der innere Zusammenhalt des Landes gefestigt werde, teilte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) mit. „Ich hoffe, dass es Frau Shinawatra gelingt, unter Einbindung aller wichtigen Akteure des Landes den Weg der nationalen Versöhnung fortzuführen“, hieß es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes.