Tsipras pocht auf Umverteilung von Flüchtlingen
Athen/Wien/Berlin (dpa) - Griechenland stöhnt unter der zunehmenden Last von Flüchtlingen und Migranten, deren Zustrom über die Ägäis kein Ende findet. Da der Nachbar Mazedonien seine Grenzen weiter dicht hält, rechnet Athen damit, dass in Kürze mehr als 100 000 Migranten im Land festsitzen könnten.
Angesichts der immer dramatischeren Lage pocht Regierungschef Alexis Tsipras auf die zugesagte Verteilung von Flüchtlingen in ganz Europa. Sollte dies nicht endlich umgesetzt werden, drohte er die Beschlüsse des EU-Türkei-Gipfels am kommenden Montag in Brüssel zu blockieren.
Tsipras kritisierte die Grenzblockade Mazedoniens: „Diese Alleingänge sind inakzeptabel. Die Flüchtlingskrise kann nicht ein Land allein bewältigen“, sagte er in einem Interview des ZDF-Magazins „Frontal 21“. „Wenn wir es nicht schaffen, eine gemeinsame Lösung zu finden, dann wird das nicht nur ein Problem für Griechenland, es wird unsere gemeinsame Zukunft in Europa gefährden.“
Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki verteidigte die Grenzschließung. Mit dem Grenzzaun werde „die Flut von illegalen Migranten“ gestoppt. „Es handelt sich dabei überwiegend um Wirtschaftsmigranten und nicht um Kriegsflüchtlinge“, sagte Poposki.
Kanzlerin Angela Merkel dringt darauf, die Krise an der Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland vor Ort zu lösen. Es gelte, eine Politik des Durchwinkens zu beenden, sagte Merkel nach einem Gespräch mit dem kroatischen Regierungschef Tihomir Orešković in Berlin. „Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten und Aufenthaltsmöglichkeiten auch in Griechenland. Die müssten auch von den Flüchtlingen genutzt werden.“ Es gebe „eben nicht ein Recht, dass ein Flüchtling sagen kann, ich will in einem bestimmten Land der Europäischen Union Asyl bekommen.“
Die Kanzlerin betonte zugleich, dass die EU Griechenland zur Seite stehen müsse. Die Situation zeige, dass einseitiges Vorgehen nicht weiterhelfe. Alle 28 EU-Mitgliedstaaten müssten zusammen Beschlüsse fassen, „damit wir genau sehen, was bedeutet das für jedes Mitgliedsland“.
Die griechische Küstenwache und die Besatzungen der Patrouillenboote der europäischen Grenzagentur Frontex retteten binnen 48 Stunden 1272 Migranten aus den Fluten der Ägäis. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in diesem Jahr bis Ende Februar bereits 122 637 Migranten aus der Türkei nach Griechenland gekommen.
Athen arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, neue und größere Migranten-Aufnahmelager zu bauen. Um die Lage bei Idomeni am Grenzübergang nach Mazedonien zu entschärfen, werden sieben neue Lager für mehr als 20 000 Menschen südlich der Grenze gebaut.
Athen habe ein EU-Hilfspaket in Höhe von 470 Millionen Euro beantragt, berichtete der griechische Fernsehsender ANT1 am Dienstag. Der Plan sehe vor, dass etwa 50 000 Menschen in Aufnahmelagern und weitere 50 000 in einfachen Hotels untergebracht werden sollen.
Die EU-Kommission will nach eigenen Angaben noch an diesem Mittwoch einen Rechtsrahmen vorstellen, der die Grundlage für eine Ausweitung von Nothilfen innerhalb der EU schafft. Ziel ist es, eigentlich für humanitäre Hilfe außerhalb der EU vorgesehen Mittel und Gelder auch innerhalb der EU nutzen zu können. „Das ist ein notwendiger Schritt, um zu verhindern, dass die beispiellosen Flüchtlingszahlen in der EU menschliches Leid verursachen“, sagte ein Sprecher.
An der Grenze zu Mazedonien, wo es am Montag schwere Ausschreitungen gegeben hatte, warten inzwischen mehr als 8000 Flüchtlinge auf die Weiterreise. Am Dienstag war die Lage im Raum Idomeni relativ ruhig. Flüchtlinge, die nicht nach Mazedonien weiterfahren können, blockierten dort die Trasse der Eisenbahnverbindung Griechenlands zu Mazedonien. Mehrere Güterzüge warteten auf beiden Seiten der Grenze.
Die Regierung in Athen bereitet sich unterdessen auf den EU-Türkei-Gipfel am 7. März vor. Regierungschef Tsipras und die Vorsitzenden der wichtigsten Parteien im griechischen Parlament wollen sich am Freitag in Athen treffen. Unter Vorsitz von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos will die politische Führung beraten, wie es mit der Flüchtlingskrise weitergehen soll.