Waffenruhe Türkei und Russland einigen sich auf Waffenruhe im syrischen Idlib

Moskau/Istanbul · Hunderttausende Menschen sind wegen der Kämpfe in der Region Idlib im Nordwesten Syriens auf der Flucht. Die Türkei und Russland unterstützen dort unterschiedliche Seiten. Erdogan und Putin einigen sich nun auf eine weitere Waffenruhe für das Gebiet.

Recep Tayyip Erdogan (l), Präsident der Türkei, und Wladimir Putin, Präsident von Russland, stehen anlässlich gemeinsamer Gespräche über die angespannte Lage im syrischen Idlib im Kreml.

Foto: dpa/Mikhail Klimentyev

Moskau/Ankara (dpa) - Russland und die Türkei haben sich auf einen neuen Anlauf für ein Ende der Krise in der syrischen Rebellenhochburg Idlib geeinigt. Eine neue Waffenruhe trete kurz nach Mitternacht zum Freitag in Kraft, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag in Moskau. Kremlchef Wladimir Putin sagte, dass nach rund sechs Stunden ein gemeinsames Dokument entstanden sei, das der Umsetzung des Waffenstillstandes diene.

Eigentlich gilt dort bereits eine Waffenruhe. In den vergangenen Wochen war aber das syrische Militär mit russischer Unterstützung weiter in dem Gebiet vorgerückt. Hunderttausende Menschen fliehen derzeit vor den syrischen und russischen Angriffen in Richtung türkische Grenze.

Russland ist in dem Bürgerkrieg die Schutzmacht der syrischen Regierung. Die Türkei unterstützt in der Region Rebellen, darunter islamistische Gruppen. Nach einem Abkommen mit Russland hat die Türkei in Idlib Beobachtungsposten eingerichtet, die sie mit Waffen und Personal in den vergangenen Wochen massiv aufgerüstet hatte.

Wegen der großen Zahl an Flüchtlingen kommen Hilfsorganisationen in kurzer Zeit kaum noch damit hinterher, die Menschen zu versorgen. Die Region rund um Idlib ist eines der letzten Rebellengebiete in dem Bürgerkriegsland. Es halten sich nach UN-Schätzungen aber auch rund drei Millionen Zivilisten in dem Gebiet auf.

Die Türkei schloss am Donnerstag nicht aus, auch ihre Südgrenze zu Syrien für Flüchtlinge aus Idlib zu öffnen. Sie könnten dann auch weiter in die EU gelangen, warnte Innenminister Süleyman Soylu. „3,5 Millionen Menschen in Idlib und an den türkischen Grenzen sind derzeit in Not.“

Kreise der syrischen Opposition meldeten erst am Donnerstag, dass bei neuerlichen Luftangriffen in der Provinz Idlib mindestens 14 Menschen getötet und etwa 20 verletzt worden seien.

Erdogan wollte mit seinem Besuch in Moskau verhindern, dass angesichts der Kämpfe in Idlib weitere Flüchtlinge in die Türkei kommen - sie hat bereits Millionen Syrer aufgenommen. Am Samstag hatte die Türkei die Grenze in Richtung EU geöffnet. Daraufhin hatten sich Tausende Migranten auf den Weg zur türkisch-griechischen Grenze gemacht. Beobachter gehen davon aus, dass Erdogan die EU damit unter Druck setzen wollte, um der Türkei Beistand zu leisten und mehr finanzielle Hilfe zu bekommen.

Das Treffen zwischen Erdogan und Putin war angesichts der dramatischen Lage der Flüchtlinge in Idlib und der Gemengelage an der EU-Grenze mit Spannung erwartet worden. „Ich weiß, dass die Welt gerade zuschaut“, sagte Erdogan zum Auftakt. Er verwies auch auf die guten Beziehungen zwischen Russland und der Türkei. Sie seien „auf dem Höhepunkt“. Putin und Erdogan hatten in den vergangenen Wochen mehrfach über Idlib gesprochen. Trotzdem spitzte sich die Lage zu.

Nach dem Tod von mindestens 34 türkischen Soldaten bei einem syrischen Luftangriff in der vergangenen Woche hatte die Türkei eine Militäroffensive gegen das syrische Militär in der Region begonnen. Putin äußerte sein Bedauern über den Tod der Soldaten und nahm die syrische Armee in Schutz, die das nicht gewollt habe.

Der russische Präsident erörterte vor dem Treffen mit Erdogan nach Kremlangaben mit EU-Ratspräsident Charles Michel die schwierige humanitäre Situation in Idlib. Dabei verurteilte Putin das aggressive Vorgehen der Rebellen. Russland gibt ihnen die Schuld an der dramatischen Flüchtlingssituation.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas pochte auf eine schnelle Lösung: „Was wir jetzt brauchen, ist eine sofortige Waffenruhe und die Sicherung der Versorgung der Millionen Binnenflüchtlinge. Russland muss Druck auf das Assad-Regime ausüben, damit die Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen endlich aufhören“, sagte der SPD-Politiker vor einem EU-Außenministertreffen in Zagreb.

Russland müsse außerdem seinen Einfluss auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad für die Einrichtung einer geschützten Zone im Norden Syriens nutzen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe darauf hingewiesen, dass es jetzt darum gehe, den Menschen im syrischen Idlib zu helfen. „Dafür brauchen wir einen Raum mit Sicherheitsgarantien. Diese Sicherheitsgarantien muss Russland geben und muss seinen Einfluss gegenüber dem Assad-Regime nutzen“, sagte der SPD-Politiker.

Kurz zuvor hatte er mitgeteilt, dass Deutschland den Vereinten Nationen 100 Millionen Euro zusätzlich für die Unterbringung und Versorgung notleidender Menschen in der Provinz Idlib anbiete.

(dpa)