Ukip-Chef Farage tritt ab: „Ich will mein Leben zurück“
London (dpa) - Der Chef der rechtspopulistischen britischen Ukip-Partei, Nigel Farage, ist überraschend zurückgetreten - und hat damit das politische Chaos in Großbritannien nach dem Brexit-Votum weiter angefacht.
Farage war zusammen mit dem gleichfalls abgetretenen Tory-Politiker Boris Johnson Wortführer der Austrittskampagne. Führende EU-Politiker und politische Gegner rügten Farages Rücktritt als feige, zynisch, verantwortungslos und selbstsüchtig.
Der 52-jährige Farage sagte, mit dem Brexit-Sieg beim EU-Referendum am 23. Juni habe er sein Ziel erreicht. Ohne Ukip hätte es kein Referendum gegeben. „Ich will mein Leben zurückhaben“, sagte er zur Begründung.
Zugleich steht bei den Konservativen und der Labour-Partei ein Showdown um die Führung bevor. Nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister David Cameron beginnen die Tory-Abgeordneten am Dienstag mit dem Auswahlverfahren - klare Favoritin ist Innenministerin Theresa May. Der unter erheblichen Druck geratene Labour-Chef Jeremy Corbyn weigert sich nach wie vor zu weichen.
Farage will sein Mandat im EU-Parlament zunächst behalten. Ob sein Rückzug bei Ukip von Dauer ist, bleibt abzuwarten. Bereits nach den Parlamentswahlen vor einem Jahr war er zurückgetreten - kehrte aber nach Tagen wieder an die Parteispitze zurück.
Erst vor wenigen Tagen hatte der frühere Bürgermeister von London, Johnson, seinen Verzicht auf eine Kandidatur für das Amt des Premierministers bekanntgegeben.
Der EU-Parlamentarier der konservativen ÖVP aus Österreich, Othmar Karas, äußerte sich empört. „Die Zündler schleichen sich davon. Das Nicht-Antreten Boris Johnsons und der Rücktritt Nigel Farages zeigen die Verantwortungslosigkeit und Planlosigkeit der Brexit-Befürworter.“
Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), nannte Farage einen „Feigling“, der ein „Chaos“ zurücklasse, das er selbst angerichtet habe. Er wolle nun sein Leben zurück, nachdem er vielen Briten das Leben schwer gemacht habe.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte den Rückzug von Farage „sehr feige“. Auf einmal zögen sich Politiker wie Johnson und Farage „in ihr Schneckenhaus zurück“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Dienstag).
Farage, mit Unterbrechungen seit 2006 Ukip-Chef, gilt als Hardliner, der vor allem Migration zu einem Hauptthema des Brexit-Wahlkampfs gemacht hatte. Kritiker warfen ihm vor, er schüre in der Bevölkerung Ängste gegen Ausländer.
Als möglicher Kandidat für seine Nachfolge wird unter anderem der einzige Ukip-Abgeordnete im Parlament, Douglas Carswell, gehandelt. Carswell, der in der Vergangenheit immer wieder mit Farage im Clinch lag, meinte aber, er habe kein Interesse.
Bei den konservativen Tories könnte erstmals seit dem Rücktritt von Margaret Thatcher 1990 eine Frau Premierministerin werden. Mehr als 100 Abgeordnete stehen laut Medien hinter Innenministerin May - weitaus mehr als hinter ihren vier Konkurrenten. May tritt als Versöhnerin an, die die nach dem Brexit-Votum heillos zerstrittenen Konservativen wieder einigen könnte. May plädierte für den Verbleib in der EU, verhielt sich im Wahlkampf aber sehr zurückhaltend.
Kritiker wie etwa ihre Mitbewerberin, Energieministerin Andrea Leadsom (53), forderten dagegen, wer in Downing Street 10 einzieht, müsse zum Brexit-Lager gehören. Die Chancen für Justizminister Michael Gove (48) seien dagegen gesunken, urteilen Londoner Medien.
Insgesamt fünf Kandidaten stehen zur Wahl. Falls es nicht doch in letzter Minute eine einvernehmliche Lösung gibt, wählen die Parlamentarier zwei Kandidaten aus, die sich dem Votum der rund 150 000 Parteimitglieder stellen. Der Zeitplan ist offen, aber bis Anfang September wollen die Tories eine Lösung finden.
In der Labour-Partei forderte die Abgeordnete Angela Eagle Parteichef Corbyn offen heraus. Falls er nicht weiche, werde sie gegen ihn antreten. „Ich habe die Unterstützung, um anzutreten und aus dieser Sackgasse rauszukommen. Und ich werde das tun, falls Jeremy Corbyn nicht bald etwas unternimmt.“
Auch bei Labour wählt die Basis den Parteichef, Corbyn verweist immer wieder darauf, dass er erst vor neun Monaten mit breiter Mehrheit bestimmt wurde. Kritiker fürchten, mit Corbyn an der Spitze künftige Wahlen zu verlieren. Sie werfen ihm auch vor, sich beim EU-Referendum nicht genug für den Verbleib Großbritanniens in der EU eingesetzt zu haben.