Ukraine feiert Unabhängigkeit mit Militärparade
Kiew (dpa) - Kriegsgerät rollt durch Kiew, Soldaten marschieren über den Maidan. Die ukrainische Regierung nutzt den Unabhängigkeitstag auch zur Demonstration der Stärke im Kampf gegen prorussische Aufständische.
Mit einem Besuch in Kiew bestärkt die Kanzlerin die Ukraine.
Inmitten des blutigen Konflikts mit prorussischen Separatisten hat die Ukraine den 23. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit mit einer gewaltigen Militärparade gefeiert. Rund 1500 Soldaten marschierten im Beisein von Oberbefehlshaber und Staatspräsident Petro Poroschenko durch das Zentrum von Kiew. „Der Krieg ist nicht unsere Initiative. Er wurde uns von außen aufgedrängt. Wir wählen den Frieden“, sagte Poroschenko am Sonntag auch an die Adresse Russlands, das die Aufständischen im Osten unterstützt. Poroschenko kündigte eine Armeereform sowie Waffenkäufe im Wert von 2,2 Milliarden Euro an.
Kanzlerin Angela Merkel, die am Samstag zum ersten Mal seit Ausbruch des Konflikts Ende 2013 in Kiew war, versprach der Ukraine Finanz- und Wirtschaftshilfen für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur im Osten. Sie kündigte eine Kreditbürgschaft über 500 Millionen Euro für die Energie- und Wasserversorgung und den Aufbau von Schulen sowie 25 Millionen Euro Hilfe für Flüchtlinge an. Zudem sollen 20 im Kampf verwundete Soldaten auf deutsche Kosten behandelt werden. „Das ist der Beginn des Merkel-Plans für den Wiederaufbau des Donbass“, sagte Poroschenko.
Die Kanzlerin setzt im Ukraine-Konflikt weiter auf eine Verhandlungslösung. „Ich will einen Weg finden, der Russland nicht beschädigt“, sagte sie im Sommerinterview der ARD („Bericht aus Berlin“). Merkel begrüßte die für Dienstag angesetzten Gespräche in Minsk zwischen Russland, der Ukraine und der EU. Sie rechne dabei zwar nicht mit einem Durchbruch. „Aber man muss miteinander sprechen. Es gibt nur eine politische Lösung. Eine militärische Lösung des Konflikts wird es nicht geben.“
Zur Militärparade standen Tausende Zuschauer bei Sommerwetter auf dem Kiewer Maidan (Unabhängigkeitsplatz), auf dem es im Winter Demonstrationen für eine Westintegration der Ukraine gegeben hatte. Auch Bürgermeister und Ex-Boxchampion Vitali Klitschko verfolgte die Waffenschau, bei der Dutzende gepanzerter Fahrzeuge und Raketenwerfer durch die Hauptstadt rollten. Die damalige Sowjetrepublik Ukraine hatte am 24. August 1991 ihre Unabhängigkeit von Moskau erklärt.
Merkel erinnerte in Kiew auch an den 75. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und sagte: „Wir beteiligen uns als Bundesrepublik Deutschland nicht mehr daran, historisches Unheil zu stiften.“ Poroschenko nannte Deutschland einen „mächtigen Freund“ und „starken Anwalt“ der Ukraine in der Europäischen Union.
Die Entscheidung des Volkes für Europa sei unumkehrbar, teilte die Regierung in Kiew nach einem Treffen Merkels mit Ministerpräsident Arseni Jazenjuk mit. Auch Bundespräsident Joachim Gauck äußerte in einem Telegramm an Poroschenko die Hoffnung auf eine engere EU-Anbindung der Ukraine.
Die Gefechte in der Separatistenhochburg Donezk, rund um Lugansk sowie um den für den Bahnverkehr wichtigen Ort Ilowaisk gingen auch am Wochenende weiter. In einer zynischen „Parade“ führten Separatisten etwa 50 gefangene Regierungssoldaten in Donezk öffentlich vor. Die gefesselten und sichtlich eingeschüchterten Männer seien von Bewohnern mit Eiern und Plastikflaschen beworfen worden, berichtete das ukrainische Internetportal Ostro.
Die Aufständischen wollen bei einer Gegenoffensive etwa 5000 Angehörige von Regierungseinheiten sowie 50 Panzer und mehr als 200 gepanzerte Fahrzeuge bei Amwrosijewka nahe der russischen Grenze eingekesselt haben. Dafür gab es aber keine Bestätigung.
Kurz vor Merkels Ankunft hatte der umstrittene russische Hilfskonvoi aus mehr als 200 weißen Lastwagen die Ukraine wieder verlassen, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte. Merkel und US-Präsident Barack Obama äußerten Unverständnis über die Entscheidung der russischen Regierung, den Konvoi ohne Zustimmung Kiews und ohne Begleitung durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) über die ukrainische Grenze Richtung Lugansk auf den Weg zu bringen.
Die Regierung in Moskau wies Vorwürfe der Nato zurück, es seien russische Soldaten in der Ostukraine aktiv. Russland richte sich fest nach den Prinzipien des Völkerrechts.
Bei der Nato gibt es nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ Meinungsverschiedenheiten über die Raketenabwehr. Aus baltischen Mitgliedsländern und aus Polen seien von den USA unterstützte Forderungen laut geworden, die gegen potenzielle Angriffe aus dem Nahen Osten geplante Raketenabwehr auch gegen Russland auszurichten. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, sprächen sich aber dagegen aus. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte mehrfach versichert, das neue System richte sich in keiner Weise gegen Russland.
Litauens Regierungschef Algirdas Butkevicius verurteilte die Ermordung eines litauischen Diplomaten in der Ostukraine. „Solche Taten zeigen, dass Krieg herrscht und die Separatisten vor nichts Respekt haben“, sagte er. Die EU sprach von einer „Terror-Tat“. Unbekannte hatten den Honorarkonsul in der Krisenregion um Lugansk erschossen.