Ukraine-Krise: Die Kluft ist auch in Minsk für jeden sichtbar

Im Ukraine-Konflikt treffen sich erstmals seit Monaten Kremlchef Putin und Präsident Poroschenko zum Gespräch.

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Minsk. Hohl klingen die Schritte im Palast der Unabhängigkeit in Minsk, als Kremlchef Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko aufeinander zugehen. Fotografen versuchen, jeden Blick der Staatschefs bei ihrer ersten Begegnung seit Anfang Juni einzufangen. Poroschenkos Miene wirkt versteinert, als er dem lächelnden Putin die Hand reicht. Ein Neuanfang? Oder unverbindliche Höflichkeit? Der Machtpoker auf neutralem Boden könnte die Weichen für die weiteren Ereignisse in der umkämpften Ostukraine stellen.

Die Interpretationen gehen weit auseinander, ob der „Handschlag von Minsk“ vielleicht ein Symbol der Verständigung ist. Beim anschließenden „Familienfoto“ vor Staatsflaggen klafft schon wieder eine deutliche Distanz zwischen Putin und Poroschenko.

In Moskau und Kiew ist man versucht, die Bedeutung des Treffens herunterzuspielen. In der weißrussischen Hauptstadt seien sich die Staatschefs eben über den Weg gelaufen. Und „wie so etwas üblich ist bei solchen Veranstaltungen, haben sich die beiden die Hand geschüttelt“, sagt ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter des Kremls dem Radiosender Echo Moskwy. In Kiew stuft ein Berater von Poroschenko die Szene als „Floskel“ ein. Denn groß ist die Gefahr, dass ein politischer Konkurrent Kapital daraus schlagen könnte.

Putin gilt in der Ukraine als Feindfigur, die die pro-russischen Separatisten in ihrem Krieg gegen Regierungseinheiten mit Kämpfern und Waffen unterstützt. Moskau brüskiert zudem Kiew mit einem geplanten zweiten Hilfskonvoi für die Ostukraine — nur Tage, nachdem mehr als 200 weißlackierte Lastwagen eigenmächtig in die benachbarte Ex-Sowjetrepublik gerollt sind. In dieser gesellschaftlichen Atmosphäre ist ein Handschlag mit dem „Gegner“ riskant — zumal in der Ukraine der Wahlkampf begonnen hat.

„In Minsk entscheidet sich das Schicksal der Welt und Europas“, sagt Poroschenko, der zuvor in Absprache mit den Parteien das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 26. Oktober ausgerufen hatte. Die vorgezogene Abstimmung hat er bei Amtsantritt im Juni versprochen. Der pro-westliche Politiker hofft, bei dem Urnengang seine Machtbasis in der Obersten Rada auszubauen. Doch Experten warnen, dass Poroschenko die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben könnte. Die Popularität seiner geplanten Partei Solidarnost (Solidarität) schwindet. Das Treffen mit Putin könnte ihn für unentschlossene Wähler nicht unbedingt attraktiver machen.

Auch bei der Diskussionsrunde mit Staatschefs und EU-Politikern an einem großen runden Tisch im Minsker Palast sitzen Poroschenko und Putin weit voneinander entfernt. Die andauernden Gefechte im Raum Donezk sind das Hauptthema der Gespräche. Doch Beobachtern fällt auf, dass Putin und Poroschenko gegenseitige Schuldzuweisungen meiden.

Der regierungsnahe Gouverneur des Konfliktgebiets Donezk, Sergej Taruta, sieht zwei Szenarien. „Wenn es Poroschenko und Putin in Minsk gelingt, sich auf eine Deeskalation zu einigen, brauchen wir nur zwei bis drei Wochen, um den Donbass zu säubern“, meint er. Im anderen Fall sieht er große Probleme auf die pro-westliche Regierung in Kiew zukommen. „Sie wird sehr viele Kämpfer für diesen Krieg suchen müssen. Denn alle, die mit Waffen hierherkommen, werden bleiben.“