Ukrainer sorgen sich um ihr Image

Das Schicksal Julia Timoschenkos berührt die Bürger kaum. Sie gilt dort als „Teil des Systems“.

Kiew. Die Ukraine, seit Wochen unter internationalem politischen Dauerfeuer, hofft im Fall Julia Timoschenko (51) auf Schadensbegrenzung. Immerhin hat die Oppositionspolitikerin nun einer Behandlung zugestimmt und will am Mittwoch ihren Hungerstreik beenden. Doch eine international geforderte Freilassung Timoschenkos oder einen Klinik-Aufenthalt in der Charité in Berlin lehnt das Land weiter ab.

Dabei musste die Führung in Kiew unter dem anhaltenden Druck am Dienstag ihre für das Wochenende am Schwarzen Meer geplante Jalta-Konferenz streichen.

Der Grund: Bundespräsident Joachim Gauck und andere europäische Staatschefs hatten Reiseabsagen mitteilen lassen. Ohnehin hätte sich bei dem Treffen des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit den auf der Gästeliste verbliebenen Amtskollegen alles nur um Timoschenko gedreht. Und zum Fall seiner politischen Erzfeindin schweigt Janukowitsch.

Den emotionalen Hilferufen der Timoschenko-Tochter hat Janukowitsch nichts entgegenzusetzen. Zwar warnt Kiews Regierungschef Nikolai Asarow davor, unbewiesene Vorwürfe von Misshandlungen Timoschenkos in der Haft als Tatsachen zu übernehmen. Doch die Brandreden westlicher Politiker gegen das Land und die Forderungen nach einem Boykott der Fußball-EM im Juni treffen die Ex-Sowjetrepublik mit voller Wucht.

Dabei sorgen sich die Ukrainer zunehmend mehr um ihr Image als um das Schicksal der selbst in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebten Timoschenko. Wie die heutige Machtführung ist auch ihre abgewählte Vorgängerregierung als kriminell verschrien.

Kyrill Savin, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, warnt davor, sich nur von der Familie Timoschenko ein Bild von der Ukraine vermitteln zu lassen. In der Bevölkerung gebe es kaum Sympathien für sie, allenfalls Mitleid. Savin meint, dass Timoschenko zwar nach außen hin prowestlicher erscheine als Janukowitsch. Doch aus Sicht vieler Ukrainer gelten beide als Teil eines Systems. „Wäre sie heute Präsidentin, würde sich das Regierungssystem kaum von dem Janukowitschs unterscheiden.“