UN-Ermittler: IS in Syrien trotz Luftangriffen erstarkt

Genf/Bagdad (dpa) - Trotz der Luftangriffe der internationalen Koalition auf die Terrormiliz IS ist die Kampfkraft der Extremisten in Syrien laut Experten größer geworden.

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„In den letzten Monaten ist das militärische Potenzial der bewaffneten Gruppe gewachsen“, warnt eine unabhängige Untersuchungskommission in einem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat. Das Papier dokumentiert zudem Kriegsverbrechen der Terroristen.

Im Irak vertrieb die Armee nach eigenen Angaben den IS aus der strategisch wichtigen Raffineriestadt Baidschi. Syrische Aktivisten widersprachen Meldungen, wonach IS und die Al-Kaida-nahe Al-Nusra-Front in Syrien eine Art Waffenstillstandsvereinbarung getroffen hätten.

In dem am Freitag in Genf vorgelegten Bericht der Kommission heißt es, der Islamische Staat (IS) stütze sich auf eine „verstärkte Mobilität und Feuerkraft, um Gegner zu überraschen und örtlich ihre Übermacht zu sichern“. Ausländische Dschihadisten spielten in Syrien eine erhebliche Rolle: „Ungeachtet der Rekrutierung Tausender Syrer wird die IS-Führungsstruktur weitgehend von ausländischen Kämpfern dominiert.“

Gemeint sind damit weniger Europäer als hartgesottene Kämpfer aus anderen islamischen Konfliktregionen wie Tschetschenien. Der Terrormiliz hätten sich einige der „extremsten und erfahrendsten Personen“ dieser Szene angeschlossen.

Dem IS-Terror seien im Nordosten Syriens Hunderttausende Menschen schutzlos ausgesetzt, heißt es. Die sunnitischen Extremisten vergingen sich an ihren Opfern mit Massenmorden, willkürlichen Hinrichtungen, Amputationen, Vergewaltigungen, sexueller Versklavung, Folterungen und Vertreibungen.

„Die Brutalitäten und das ganze Ausmaß der Misshandlungen sind darauf ausgerichtet, die absolute Macht dieser Gruppe über das politische und soziale Leben durchzusetzen und die Gemeinden unter ihrer Kontrolle zum Gehorsam zu zwingen“, heißt es. Auch Kinder und Frauen seien von den Extremisten in Nordost-Syrien geköpft, erschossen oder gesteinigt worden.

Zur Rechtfertigung der Grausamkeiten erkläre die Miliz ihre Opfer zu Ketzern. Dabei gelte der Grundsatz „Man ist schuldig, solange man nicht seine Unschuld beweisen kann“, berichteten die Ermittler. Sie stützen sich auf Aussagen von mehr als 300 Zeugen, die vor dem IS in Nachbarländer geflohen sind oder immer noch in seinem Herrschaftsbereich leben.

Die Untersuchungskommission macht auch darauf aufmerksam, dass bei Angriffen durch Kampfflugzeuge der USA und ihrer Verbündeten auf die IS-Terroristen Unschuldige getötet wurden. Die Milizionäre würden sich oft direkt neben zivilen Einrichtungen verschanzen.

Im Nachbarland Irak erklärte ein Kommandeur der irakischen Armee laut dem staatlichen Sender Al-Irakija, die Armee habe am Freitagmittag die Stadt Baidschi vollständig befreit. Demnach hissten die Soldaten die irakische Flagge auf dem Dach des Gerichtsgebäudes.

In Baidschi steht die größte Ölraffinerie des Landes. IS-Kämpfer hatten sie in den vergangenen Monaten belagert. Eine unabhängige Bestätigung für die Meldung gab es zunächst nicht.

Die irakische Regierung und die autonomen Kurdengebiete im Norden des Landes einigten sich unterdessen vorläufig auf einen Kompromiss in einem monatelangen Streit über den Ölverkauf. Demnach zahlt Bagdad 500 Millionen US-Dollar an die Kurden, wie die Nachrichtenseite Rudaw meldete. Im Gegenzug darf Bagdad täglich 150 000 Barrel Rohöl aus Gebieten unter kurdischer Kontrolle verkaufen. Um eine endgültige Einigung zu erzielen, soll es bald weitere Verhandlungen geben.

Die Kurdenregierung im nordirakischen Erbil streitet sich seit langem mit Bagdad über den Export von Erdöl aus den Gebieten unter ihrer Kontrolle. Die Kurden wollten den Rohstoff auf eigene Rechnung verkaufen, was Bagdad ablehnt. Die Zentralregierung stoppte deshalb Zahlungen aus dem Staatshaushalt an die Kurden. Der Konflikt belastete auch die Zusammenarbeit im Kampf gegen den IS.

Die oppositionsnahen syrischen Menschenrechtsbeobachter widersprachen unterdessen Berichten, wonach IS und die radikal-islamische al-Nusra-Front sich bei einem Treffen darauf geeinigt hätten, sich nicht mehr gegenseitig zu bekämpfen. Ein solcher Vorschlag mehrerer syrischer Extremistengruppen sei vom IS abgelehnt worden, hieß es.