UN: Nur noch rund 1000 Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge
Erbil (dpa) - Nach der Massenflucht der Jesiden aus dem irakischen Sindschar-Gebirge sind laut UN nur noch rund 1000 Menschen in dem Gebiet eingeschlossen. Das sagte eine Sprecherin der UN-Mission im Irak (Unami) der Nachrichtenagentur dpa.
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR konnten sich in den vergangenen fünf Tagen etwa 80 000 Menschen aus dem kargen Gebirge retten. Die USA hatten mitgeteilt, eine US-Rettungsmission im Nordirak sei eher unwahrscheinlich.
Eine UNHCR-Sprecherin sagte der dpa, die von dem Höhenzug entkommenen Menschen seien extrem erschöpft und litten unter Flüssigkeitsmangel.
Bei den Flüchtlingen handelt es sich vor allem um Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Viele hatten über Tage bei hohen Temperaturen mit wenig Wasser und Nahrung im Sindschar-Gebirge ausgeharrt. Die Menschen sind auf der Flucht vor der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Die Extremisten hatten vor fast zwei Wochen weitere Gebiete im Nordirak eingenommen.
Laut Unami fanden seitdem rund 200 000 Menschen Zuflucht in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Rund 50 000 seien ins benachbarte Syrien geflohen, sagte die Unami-Sprecherin.
Das US-Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch mitgeteilt, ein zunächst erwogener US-Militäreinsatz zur Rettung von Flüchtlingen aus dem Sindschar-Gebirge sei unwahrscheinlicher geworden. Spezialeinheiten seien nach Erkundungen zu dem Schluss gekommen, dass sich dort wesentlich weniger Flüchtlinge aufhielten als zunächst angenommen. Nach US-Luftschlägen sei es vielen gelungen, mit Hilfe kurdischer Kämpfer der Belagerung durch die IS-Terrormiliz zu entkommen.
Auch seien die Verfolgten nach Abwürfen von Nahrung und Wasser durch die US-Streitkräfte besser versorgt als noch vor einigen Tagen, teilte Pentagonsprecher John Kirby mit. Zugleich gingen die US-Luftangriffe auf islamistische Milizen in der Region weiter.
Wegen der dramatischen Flüchtlingsentwicklung in den vergangenen Tagen riefen die Vereinten Nationen (UN) für den Irak die höchste Notstandsstufe aus. Es gelte der Notstand der Stufe 3, teilte die Unami mit. Die dritte Stufe ermöglicht es den UN, zusätzliche Hilfsgüter und Gelder zu mobilisieren.
Der Irak ist nach Syrien, dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktuell das vierte Land, in dem die UN einen Notstand der Stufe 3 erklärt haben.
Die meisten der in den vergangenen Tagen geflohenen rund 80 000 Jesiden gingen laut UN über den irakisch-syrischen Grenzübergang Faischkabur nach Nordsyrien. Dort seien sie in Flüchtlingslagern rund um die Stadt Al-Kamischli untergekommen. Viele seien jedoch auch über die Grenze zurückgekehrt, um in den kurdischen Gebieten des Nordiraks Zuflucht zu finden.
Die Türkei hat nach Angaben von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bislang etwa 2000 jesidische Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen. Hinter der Grenze hielten sich weitere rund 20 000 Jesiden auf, die vor der Terrormiliz IS geflohen seien, sagte Erdogan nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. Erdogan stellte auch diesen Flüchtlingen Unterstützung in Aussicht.
Anadolu berichtete, die türkische Katastrophenschutzbehörde wolle im nordirakischen Grenzort Sacho ein Flüchtlingscamp für rund 16 000 Jesiden errichten. „Die Türkei ist das einzige Land, das den Jesiden die Türe geöffnet hat“, sagte Erdogan.