Ungarn muss im Streit um Mediengesetz nachgeben

Budapest (dpa) - Die Kritik zeigt Wirkung: Pünktlich zum offiziellen Start des EU- Vorsitzes lenkt Ungarn bei seinem umstrittenen Medien-Kontrollgesetz ein. Nach dem Tadel der EU ist Budapest bereit, das Gesetz zu ändern - falls Brüssel es für notwendig hält.

„Wir sind bereit zu Anpassungen, wenn sich in der praktischen Umsetzung zeigt, dass dies notwendig sein sollte“, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag in Budapest nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Ungarn gibt damit unter dem Druck der EU nach. Der Streit hatte den Auftakt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft überschattet. Bislang hatte Orban die verlangten Änderungen davon abhängig gemacht, dass auch andere EU-Länder ihre Mediengesetze umschreiben.

Die EU-Kommission und die Bundesregierung begrüßten die Erklärung vom Freitag. Die Sozialdemokraten wollen das ungarische Gesetz aber sowohl im Bundestag wie auch im Europaparlament zum Thema machen. Führende europäische Bürgerrechtler warnten vor einem Abbau der Demokratie in Ungarn.

Das neue Gesetz, das zum 1. Januar in Kraft getreten war, ermöglicht staatliche Eingriffe in die Medien und wird von Kritikern als Beschränkung der Pressefreiheit gewertet. International hatte es massive Kritik, vor allem aus Deutschland und Frankreich, ausgelöst. So kann eine Aufsichtsbehörde aus Mitgliedern der regierenden Partei hohe Geldstrafen gegen Presseorgane verhängen.

Nach dem Meinungsumschwung Ungarns zeigte sich die EU-Kommission erleichtert. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz erklärte Barroso, Orban habe ihm zugesichert, dass das Mediengesetz europäischen Werten, der Pressefreiheit und der EU-Gesetzgebung entspreche. „Der Premierminister hat klar gemacht, dass Ergänzungen gemacht werden, sollte die Kommission nach ihrer Prüfung zu dem Schluss kommen, dass dies nicht für alle Aspekte des Gesetzes gilt“, betonte Barroso. Die Pressefreiheit sei ein grundlegendes Prinzip der EU.

In Brüssel prüfen Rechtsexperten der EU-Kommission, ob das Gesetz dem europäischen Recht entspricht. Sollte die EU-Behörde zu dem Schluss kommen, dass dies nicht der Fall ist, könnte sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen. In letzter Konsequenz würden Ungarn Geldstrafen drohen. Die Sozialdemokraten im Europaparlament haben bereits mit einem Verfahren gedroht, in dem Ungarns Stimmrechte in der EU ausgesetzt werden könnten.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, begrüßte die Bereitschaft der ungarischen Regierung, bei dem umstrittenen Gesetz nachzuarbeiten. „Das stimmt uns hoffnungsvoll“, sagte er in Berlin. Die Bundesregierung warte auf jeden Fall die Prüfung des Gesetzes durch die EU zunächst ab. Sollte Ungarn gegen EU-Recht verstoßen haben, sei das Land zu Änderungen verpflichtet.

Die SPD will das ungarische Mediengesetz im Bundestag debattieren. Auch das Europaparlament soll sich damit sobald wie möglich befassen, sagte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Im Bundestag wollen die Sozialdemokraten in der dritten Januarwoche eine Aktuelle Stunde beantragen. Schäfer forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, das Mediengesetz auch im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs und in der Europäischen Volkspartei (EVP) auf die Tagesordnung zu setzen.

Unterdessen warnten 70 führende europäische Bürgerrechtler in einem offenen Brief vor einem Abbau der Demokratie in Ungarn. In dem im Internet veröffentlichten Schreiben fordern sie die EU-Institutionen auf, verbindliche demokratische Standards zu formulieren und bei Verstößen die Schuldigen anzuprangern. „Die Aberkennung von Grundrechten in einem Land demütigt alle Europäer“, heißt es darin. Was viele nicht für möglich gehalten hätten, sei nun in Ungarn geschehen: Die Entstehung einer völlig unfreien Demokratie innerhalb der EU-Grenzen.

Die Erklärung wurde unter anderem vom ehemaligen tschechischem Staatspräsidenten Vaclav Havel und dem früheren ungarischen Staatspräsidenten Arpad Göncz unterzeichnet. Aus Deutschland schlossen sich unter anderem die Bundesbeauftragte für die Stasi- Unterlagen, Marianne Birthler, die DDR-Bürgerrechtler Rainer Müller und Wolfgang Templin sowie der Schriftsteller Lutz Rathenow an. Auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans- Werner Sinn, unterschrieb das Papier.