Orbans Angriff auf die Pressefreiheit
Ungarn übernimmt den EU-Vorsitz — und erregt Anstoß.
Budapest. Vieles kann man Viktor Orban nachsagen, aber nicht, dass er herumeiert. Ob der Streit um das Medien-Gesetz nicht den Auftakt zum ungarischen Halbjahr als EU-Vorsitzender verdüstert habe? Ein Fehlstart? „Klar“, sagt der Premier, „wer will schon gerne so anfangen? Aber ich habe das Drehbuch nicht verfasst.“
Seine Kritiker im In- und Ausland sehen das umgekehrt: Das Skript sei das von Orban und seiner Fidesz-Partei verabschiedete Pressestatut, ein Monstrum von nahezu 200 Seiten. Und das werde nicht dem Ministerpräsidenten das Leben schwer machen, sondern jedermann, der an seiner Arbeit etwas auszusetzen habe und dies in Wort und Bild öffentlich verbreiten wolle. Einheimische Blätter protestieren, die EU-Kommission prüft, EU-Freunde schütteln den Kopf über diesen Eingriff in die Pressefreiheit. Doch Orban sieht nicht aus, als ob ihm das Bauchschmerzen macht.
Der Orban Viktor — in Ungarn halten sie es mit der Reihenfolge von Vor- und Nachnamen wie in Bayern — ist dem Selbstverständnis nach ein Kämpfer. Als junger Mann half er, den Kommunismus abzuservieren. 1998 bis 2002 war er schon einmal Regierungschef. Dann waren Sozialisten am Ruder. Aber er und seine nationalkonservative Fidesz kamen im vergangenen April wieder, stärker denn je. Im Parlament haben sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit und nach Ansicht des Vormannes den Auftrag, „den Saustall der Vorgänger auszumisten“.
Kämpfer Orban verharrt in einer listigen Verteidigungsstellung: In seinem Medienstatut stehe kein einziger Paragraph, der nicht im Presserecht anderer EU-Staaten zu finden sei. Mit diesem Argument wird sich am Freitag EU-Kommissionschef José Manuel Barroso auseinandersetzen müssen, wenn er mit seinem Team nach Budapest kommt.