Verdacht auf Giftmord an Arafat wird untersucht

Doha/Ramallah/Lausanne (dpa) - Acht Jahre nach dem Tod des früheren palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat gibt es neue Hinweise auf eine mögliche Vergiftung - mit radioaktivem Polonium. Die Palästinenserbehörde ist zu einer von der Witwe geforderten Exhumierung seiner Leiche bereit

Ein Sprecher von Arafats Nachfolger Mahmud Abbas sagte am Mittwoch, es gebe keine religiösen oder politischen Gründe, die dagegen sprächen, wenn die Familie es wünsche.

Eine vom arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira in Auftrag gegebene Untersuchung durch ein Labor in der Schweiz hatte acht Jahre nach Arafats Tod erhöhte Werte des radioaktiven Stoffes Polonium-210 auf persönlichen Gegenständen des Ex-Palästinenserführers ergeben. Mit diesem Gift war 2006 in London der russische Ex-Geheimdienstagent und Regimekritiker Alexander Litwinenko getötet worden.

Ein Sprecher des auf Strahlenschutz und medizinische Anwendungen spezialisierten „Institut de radiophysique“ in Lausanne bestätigte am Mittwoch, es seien ungewöhnliche Mengen an Polonium gefunden worden. Die in Arafats Krankenakte beschriebenen Symptome passten jedoch nicht zu einer Polonium-Vergiftung, sagte Darcy Christen der Nachrichtenagentur dpa. Dies sei „verwirrend“. Eine abschließende Beurteilung der Todesursache sei nur durch eine Untersuchung der sterblichen Überreste Arafats möglich.

Arafats Witwe Suha sagte im Interview mit Al-Dschasira, sie sei für eine Exhumierung der Leiche. Da es darum gehe, ein Verbrechen aufzuklären, sei die Störung der Totenruhe, die im Islam normalerweise verboten ist, wahrscheinlich gerechtfertigt, fügte sie hinzu. Sie hoffe auf eine entsprechende „Fatwa“ (islamisches Rechtsgutachten). Suha Arafat bezeichnete Berichte als falsch, wonach sie eine Autopsie nach dem Tod ihres Mannes abgelehnt habe. Die Ärzte hätten dies damals nicht vorgeschlagen.

Auch der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat hatte am Mittwoch eine internationale Untersuchung der Todesumstände des ersten Palästinenserpräsidenten gefordert.

Der frühere PLO-Führer war im November 2004 nach langer Krankheit im Alter von 75 Jahren in einem Militärkrankenhaus im französischen Clamart gestorben. Schon damals hatte es Spekulationen über eine mögliche Vergiftung oder eine Aids-Erkrankung des Friedensnobelpreisträgers gegeben. Die Todesursache blieb letztlich unklar.

Die „New York Times“ hatte 2005 aus der bis dahin geheimen Krankenakte Arafats zitiert. Die französischen Ärzte hätten geschrieben, eine Vergiftung oder Aids-Erkrankung Arafats seien sehr unwahrscheinlich. Die behandelnden Ärzte des Militärkrankenhauses hätten seinerzeit Blut-, Knochenmarks-, Stuhl- und Urinproben an drei verschiedene Institute in Frankreich zur toxikologischen Untersuchung geschickt.

In dem Al-Dschasira-Bericht hieß es nun, bei Polonium-210 seien die Symptome für normale Ärzte schwer zu deuten. Eine mögliche radioaktive Belastung sei damals nicht in Erwägung gezogen worden.

Erekat sagte dem palästinensischen Rundfunk, ein internationales Gremium müsse nun klären, wer für Arafats Tod verantwortlich sei. „Kein Palästinenser wird ruhen, bis er die Wahrheit weiß. In meinem Herzen weiß ich, dass er nicht eines natürlichen Todes gestorben ist“, sagte er.

Israel wies jede Verantwortung zurück. Der Bericht entbehre jeglicher Grundlage, sagte ein israelischer Regierungssprecher erneut am Mittwoch. „Es war nicht Israel, das damals entschieden hat, die Patientenakte Arafats unter Verschluss zu halten.“

Erekat warf die Frage auf, warum ein offizielles palästinensisches Komitee, das schon vor Jahren mit der Untersuchung von Arafats Tod beauftragt worden war, bis heute keine Schlussfolgerungen vorgelegt habe. Der Al-Dschasira-Bericht beweise, „dass Arafats Tod politisch motiviert war“.

Arafat musste die beiden letzten Jahre seines Lebens während des zweiten Palästinenseraufstands (Intifada) in weitgehender Isolation in seinem Amtssitz in Ramallah verbringen. Israel warf ihm damals vor, sowohl Friedensverhandlungen zu wollen als auch Gewalt und Terror zu unterstützen.