Waffenruhe in Ostukraine brüchig
Moskau/Brüssel/Donezk (dpa) - Hält die Feuerpause in der Ostukraine? Eine gemeinsame Militärübung der USA und der Ukraine im Schwarzen Meer löst neue Spannungen aus. Russland droht der EU bei neuen Sanktionen mit einem Überflugverbot.
Gegen den Protest Russlands haben die Ukraine und die USA ein Seemanöver im Schwarzen Meer gestartet. Die Übung „Sea Breeze 2014“ sei ein „Schritt für eine Erhöhung der Stabilität und eine Stärkung der Zusammenarbeit“, sagte der ukrainische Marinechef Sergej Gajduk bei der Zeremonie auf dem Zerstörer „USS Ross“. Russland kritisierte die Übung von Nato-Staaten in der Nachbarschaft zur Ostukraine als „völlig unpassend“. Die Regierung verlegte den Lenkwaffenkreuzer „Moskwa“ (Moskau) ins Mittelmeer.
Zugleich drohte Moskau dem Westen für den Fall weiterer Sanktionen mit weitreichenden Gegenreaktionen. Denkbar sei ein Überflugverbot für westliche Airlines, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew der Zeitung „Wedomosti“. „Wenn westliche Gesellschaften unseren Luftraum meiden müssen, kann das zum Bankrott vieler Fluggesellschaften führen, die schon jetzt ums Überleben kämpfen.“
Die Europäische Union zeigte sich unbeeindruckt. Sie wollte am Montagabend schärfere Wirtschaftssanktionen sowie weitere Konten- und Reisesperren beschließen. Für russische Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung soll nach Angaben von Diplomaten der Zugang zu europäischen Krediten erschwert werden. Die EU verlangt unter anderem den Rückzug der russischen Soldaten aus der Ostukraine und die Einhaltung der am Freitag vereinbarten Waffenruhe.
Diese ist jedoch nach Erkenntnissen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bereits mehrmals gebrochen worden. Der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin erklärte, diese Verstöße sollten aber nicht überbewertet werden. „Wir sollten den generellen Trend betrachten: Heute ist Montag und wir sind glücklich, dass der Waffenstillstand im Großen und Ganzen hält.“
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko besuchte am Montag überraschend die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol, die zuletzt im Zentrum der Kämpfe gestanden hatte. „Das ist unser Land, wir werden es niemals aufgeben“, erklärte Poroschenko via Twitter.
„Wir werden alles tun, damit Frieden herrscht, doch wir werden uns auf die Verteidigung unseres Landes vorbereiten“, sagte er vor Arbeitern in Mariupol. Vor Verkündung der Waffenruhe hatten ukrainische Regierungstruppen ihre Stellungen dort verstärkt, als moskautreue Kämpfer mit gepanzerten Fahrzeugen auf die Stadt vorrückten.
Als Provokation wird in Moskau auch das Manöver im Schwarzen Meer empfunden, an dem neben der Ukraine und den USA auch die Nato-Staaten Kanada, Rumänien, Spanien und die Türkei teilnehmen. Bereits in der nächsten Woche soll in der Westukraine ein Militärmanöver unter Beteiligung Deutschlands und zehn weiterer Nato-Staaten stattfinden.
Für die meisten europäischen Fluggesellschaften wäre ein russisches Überflugverbot ein schwerer Schlag. Vor allem für Flüge nach China, Japan und Korea sind die Routen über Russland von zentraler Bedeutung. Müssten Airlines wie Air France, British Airways oder Lufthansa auf südliche Alternativrouten ausweichen, würde dies deutlich länger dauern und die Treibstoffkosten in die Höhe treiben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Poroschenko machten sich in einem Telefonat für eine unabhängige Überwachung der Feuerpause in der Ostukraine stark. Trotz vereinzelter Verstöße beteuern Kiew und die moskautreuen Separatisten, sich an die Waffenruhe zu halten. Militärexperten zufolge könnten vereinzelte Provokationen von regierungsnahen Freiwilligenbataillonen und Freischärlern in Reihen der Aufständischen kommen.
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte, er sehe keine andere Möglichkeit als die Verhängung des Ausnahmezustands, sollte die Feuerpause scheitern. In einer Videokonferenz wollten Vertreter Kiews, der Separatisten und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über die Kontrolle der Waffenruhe sprechen.
Die Separatisten ließen unterdessen wie vereinbart weitere Regierungskämpfer aus der Gefangenschaft frei. Ein vollständiger Gefangenenaustausch ist für diesen Mittwoch geplant.
Bei künftigen Verhandlungen mit Kiew zielen die Separatisten weiter auf einen Sonderstatus ihres Gebiets mit mehr Unabhängigkeitsrechten. Von einer vollständigen Rückkehr der selbst erklärten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk in die Ukraine sei keine Rede, sagte Separatistenführer Andrej Purgin russischen Agenturen zufolge.
Seit dem Beginn der Kämpfe in der Ostukraine im April wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 3000 Menschen getötet. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, rief die Ukraine, die Aufständischen und Russland auf, alles für den Schutz von Zivilisten im Konfliktgebiet zu tun.