Wahlsystem Großbritanniens auf dem Prüfstand

London (dpa) - Die britischen Wähler haben bei einer Volksabstimmung ihr Wahlsystem auf den Prüfstand gestellt. Mit dem Ergebnis müssen sie sich allerdings bis zum Freitagabend gedulden.

Millionen Menschen waren am Donnerstag an die Wahlurnen gerufen worden, um entweder ihre Zustimmung zu einem neuen System mit dem Namen „Alternative Vote (AV)“ zu geben, oder alles beim alten Mehrheitswahlsystem zu lassen. Außerdem gab es Wahlen zu den Regionalparlamenten in Schottland, Nordirland und Wales, sowie lokale Wahlen in England.

Noch am Tag des Referendums deuteten mehrere Umfragen darauf hin, dass die geplante Reform der Art und Weise, wie die Briten ihr Parlament in London bestimmen, von der Mehrheit nicht gewünscht sein könnte. Eine Befragung für die Zeitung „The Guardian“ ergab, dass 68 Prozent gegen die Änderung des Wahlsystems stimmen wollten und nur 32 Prozent dafür. Das Blatt „The Sun“ schrieb von 60 Prozent Nein-Stimmen.

Beim derzeitigen britischen Mehrheitswahlrecht gewinnt der Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen hat. Sämtliche anderen Stimmen, vor allem die für kleinere Parteien, verfallen. Das spielt den großen Parteien zu und hatte zur Folge, dass in der Vergangenheit entweder die konservativen Tories oder aber die sozialdemokratische Labour-Partei jeweils alleine regieren konnten. Die derzeitige Koalition aus Tories und Liberaldemokraten ist die erste seit dem Zweiten Weltkrieg.

Nach dem neuen System würden die Briten eine Rangfolge unter den Kandidaten aufstellen und diese durchnummerieren. Bekommt niemand die absolute Mehrheit, würden in mehreren Zählschritten die Zweit-, Dritt- und Viertstimmen ausgewertet, bis ein Sieger feststeht. Damit würden kleinere Parteien größere Chancen bekommen. Kritiker sagen jedoch, das AV-System sei zu kompliziert.

Die derzeitige Regierungskoalition war wegen des Referendums gespalten. Während die Tories das alte System behalten wollen, hatten die Liberalen ihren Wählern fest zugesagt, die Reform durchzubringen. Sollte dies nicht gelingen, dürfte Liberalen-Parteichef und Vize-Premier Nick Clegg weiter unter Druck geraten.

Clegg stand in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kritik, weil er den Tories im Rahmen der Koalition zu sehr entgegengekommen sein soll. So hatten die „Lib Dems“ versprochen, dass die Studiengebühren im Königreich nicht erhöht werden, was dann aber doch passierte. Streit in der Koalition gibt es auch bei der Sozial- und Medienpolitik.