Warum die Hilferufe aus Syrien verhallen

Die Not der Syrer ist gewaltig, regt aber nicht zum Spenden an. Dabei geben Deutsche gern.

Düsseldorf. In Syrien spielt sich vor den Augen der Welt eine humanitäre Katastrophe gewaltigen Ausmaßes ab. Drei Viertel aller Syrer brauchen nach Schätzungen des Medikamentenhilfswerks action medeor aus dem niederrheinischen Tönisvorst dringend Hilfe. Weil sie entweder der ständigen Gefahr ausgesetzt sind, zwischen die Fronten von Rebellen und Milizen zu gelangen, gefoltert und verschleppt zu werden. Oder sie sind in eines der überfüllten und kaum ausgestatteten Auffanglager geflohen. Und versuchen im Irak oder Südlibanon in notdürftig gebauten Zelten Schnee, Eis und Hunger zu trotzen. Denn nun droht der Region auch noch der härteste Winter seit mehr als 100 Jahren.

Und doch gibt es keine Welle der Hilfsbereitschaft und keinen Spendenmarathon. Gemeinnützige Organisationen beklagen, dass trotz drängender Hilferufe nur wenige Menschen für die Opfer des syrischen Bürgerkriegs spenden. Das „Aktionsbündnis Deutschland hilft“ verzeichnete bis August 2013 insgesamt 1,2 Millionen Euro Syrienspenden. Bei der Hungersnot in Afrika im Jahr 2011 seien allein in drei Monaten 17,2 Millionen Euro zusammengekommen. Auch die Welthungerhilfe verzeichnet ein spärliches Spendenaufkommen für Syrien. Etwa ein Sechstel von dem, was bislang für die Flutopfer auf den Philippinen eingegangen ist.

Dabei sind die Deutschen durchaus hilfsbereit und haben laut Gesellschaft für Konsumforschung in diesem Jahr so viel gespendet wie nie zuvor: fünf Milliarden Euro. Doch das Geld ging bevorzugt an Opfer für Naturkatastrophen. Der Spendenanstieg erklärt sich vor allem durch das Juni-Hochwasser in Deutschland und den Taifun „Haiyan“ im November auf den Philippinen.

In politische Krisenregionen spenden die Deutschen ungern. Spendenforscher Eckhard Priller vermutet in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, dass Naturkatastrophen eher zur Solidarität führen, weil sie jeden treffen könnten. Die verworrene Lage in Syrien wirke dagegen abschreckend. „Es ist nicht klar: Wer sind hier die Guten, wer die Bösen.“

Ähnliches schätzt Ute Hoffmann von der action medeor, die Medikamentenspenden nach Syrien bringt und gerade gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt eine größere Lieferung vorbereitet. „Vielleicht steckt hinter der Spendenzurückhaltung die Angst, dass das Geld an den Falschen gerät. Das ist schade, weil die Hilfe wirklich ankommt.“ Silja Streeck von der Welthungerhilfe sagt: „Es gibt eine große Unsicherheit bei den Spendern. Aber gerade jetzt fehlt es durch den Wintereinbruch an allem. In den überfüllten Flüchtlingslagern brauchen die Menschen dort Decken, Matratzen, Nahrung und Winterkleidung.“