Welche Reaktion verkraftet Frankreich?
Trotz Terror, Fahndung und Trauer löst sich Frankreichs Politik aus der Schockstarre. Die extreme Rechte ist im Aufwind.
Paris. Die Trauer über den Terror steckt den Menschen in Frankreich noch in den Knochen. Doch nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ erwachen im traditionell streitlustigen Land auch wieder politische Diskussionen und Forderungen. Wie kann es in dem ohnehin kriselnden Land weitergehen? Fragen und Antworten zum Thema.
Präsident François Hollande setzt auf die Karte nationale Einheit. Schon kurz nach dem blutigen Attentat rief er die Franzosen auf, in dieser Zeit zusammenzustehen. Unterstützung hat der 60-Jährige bitter nötig. Hollande ist bei den Franzosen unbeliebt wie kein Staatschef vor ihm in der Nachkriegszeit. Im lange verkrusteten Frankreich sind seine Reformen umstritten, vielen gehen sie auch nicht weit genug. Nach dem Mordanschlag setzt Hollande auf parteiübergreifende Absprachen. Am Mordtag empfing er die Spitzen der in Frankreich relevanten Religionen, zudem lud er seine politischen Gegner zu Gesprächen in den Élyséepalast ein. Unklar bleibt, ob sein Vorhaben verfängt.
Nicolas Sarkozy, der Vorgänger auf dem Präsidentenposten, ist in seiner Reinkarnation als Chef der konservativen Partei UMP wichtigster Widersacher François Hollandes. Der 59 Jahre alte Politiker, dessen Streben nach einem Wiedereinzug in den Präsidentenpalast in Frankreich als ausgemachte Sache gilt, präsentierte sich staatstragend. Es sei seine Pflicht gewesen, auf die Einladung in den Élysée zu reagieren. Er habe damit ein Klima der nationalen Einheit bezeugen wollen, sagte Sarkozy. Bei Forderungen nach verbessertem Terrorschutz setzt der UMP-Chef Sarkozy nach eigenen Worten aber nicht auf einen Gegensatz von Rechts oder Links. Er sieht einen besseren Schutz des Landes im Mittelpunkt.
Die Integration von Ausländern, das Nebeneinander der Ethnien ist ein heißes Eisen in Frankreich. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gilt als so angespannt wie lange nicht. In Frankreich leben nach Schätzungen bis zu fünf Millionen Muslime, viele von ihnen in den vernachlässigten Vorstädten. Dort ist fast die Hälfte der Menschen arbeitslos. Der Frust lässt junge Muslime nach Alternativen suchen. Angeblich haben sich etwa 1000 junge Franzosen der Terrormiliz Islamischer Staat angeschlossen.
Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, kann nicht nur auf eine Reihe von Erfolgen zurückblicken. Bei der Europawahl war die eurokritische FN sogar stärkste Kraft in Frankreich noch vor Konservativen und Sozialisten. Dabei setzt sie auch auf islam- und ausländerfeindliche Argumente. Der Anschlag von Paris und die Angst vor Gewalt von Islamisten könnte den Rechtsextremen weiter Auftrieb geben. Le Pen betonte als eine der ersten, islamische Fundamentalisten hätten den Anschlag verübt. Für den Fall ihrer Wahl zur Staatspräsidentin 2017 schlägt sie bereits schärfere Töne an: Sie will eine Abstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Die linksgerichtete „Libération“ will die verbliebenen Mitarbeiter von „Charlie Hebdo“ ab Freitag in ihren Redaktionsräumen unterbringen, weil die Büros des Satireblatts wegen der Ermittlungen zunächst nicht genutzt werden können. Auch die Pariser Abendzeitung „Le Monde“ und der private Fernsehsender Canal plus boten Unterstützung an. Bereits 2012, als die Redaktionsräume von „Charlie Hebdo“ nach der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen durch einen Brandanschlag verwüstet wurden, hatte „Libération“ die Kollegen des Satiremagazins beherbergt.