Demonstrationen Wieder Proteste im Iran - Ein Polizist getötet
Teheran (dpa) - Bei einer Welle politischer Proteste sind im Iran mehr als ein Dutzend Menschen umgekommen, darunter ein Polizist. Präsident Hassan Ruhani räumte ein, dass die Regierung die Lage nicht mehr völlig kontrolliere.
Die USA und Israel unterstützten die Proteste und äußerten ihre Hoffnung auf einen politischen Umsturz in Teheran.
Bis zum Montag starben nach Angaben des Staatsfernsehens mindestens zehn Demonstranten im Zentral-, West und Südwestiran. Zudem kamen ein alter Mann und ein Kleinkind bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud um. In sozialen Netzwerken wird behauptet, dass die Polizei in Dutzenden Städten auf die Demonstranten schieße; es habe am Montag erneut Tote gegeben. Die Berichte ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Nachrichtenagentur Tasnim meldete, in Nadschafabad im Zentraliran sei ein Polizist von einem bewaffneten Demonstranten ermordet worden, drei weitere seien verletzt worden. Nahe Nadschafabad sei zudem eine Polizeiwache von Demonstranten in Brand gesetzt worden. Dem Staatsfernsehen zufolge wurden in mehreren Städten staatliche Einrichtungen von Bewaffneten attackiert. Angriffe auf Polizeiwachen sowie Militärkasernen seien vereitelt worden. Auch diese Berichte ließen sich nicht unabhängig verifizieren.
Bei einer Krisensitzung am Montag im Parlament erklärte Präsident Ruhani, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. „Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten.“ Er kritisierte damit indirekt die Hardliner im Klerus, die seine Reformen blockieren. Ruhani zufolge sollten die Proteste nicht als Gefahr, sondern als Chance angesehen werden.
In seiner ersten Reaktion am Sonntag hatte Ruhani aber auch vor Ausschreitungen gewarnt, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Er rief die Regimekritiker dazu auf, Proteste über legale Kanäle zu beantragen. Dann würde es auch nicht zu Ausschreitungen und Polizeieinsätzen kommen. In sozialen Netzwerken wurde der Vorschlag als Rhetorik bewertet. Das Innenministerium würde nach Meinung vieler Iraner niemals Anträge auf Protestversammlungen genehmigen, die nur ansatzweise Kritik am Establishment üben würden.
Die Proteste hatten am Donnerstag begonnen. Sie richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung, wurden aber zunehmend systemkritisch. Am Samstag griffen die Proteste auch auf die Hauptstadt Teheran über. Nach Augenzeugenberichten griff die Polizei in Teheran mit Wasserwerfern und Tränengas ein.
Ein iranischer Abgeordneter sprach von zwei Demonstranten, die in der Nacht zum Montag in der Stadt Iseh im Südwestiran getötet worden seien. Es habe auch Verletzte und Festnahmen gegeben, sagte Hodschatollah Chademi der Nachrichtenagentur Ilna. Bei einigen der Festgenommenen seien auch Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden. Nach unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken soll Iseh kurzfristig sogar von Regimegegnern besetzt gewesen sein. Zwei weitere Menschen wurden in Dorud getötet, jeweils drei im zentraliranischen Schahinschar und in Toserkan (Westiran). Es gab zudem Hunderte Festnahmen. Nach Berichten in sozialen Netzwerken reichte die Zahl landesweit von 100 bis 800.
Am Montag funktionierte das zwischenzeitlich gestörte Internet im Iran wieder normal. Da iranische Medien über die Proteste selbst kaum berichten, werden viele Berichte und Videos über soziale Netzwerke verbreitet.
Die Proteste im Iran sorgen auch für neuen Zündstoff in den Beziehungen zu den USA. US-Präsident Donald Trump twitterte, die Menschen im Iran würden nicht länger hinnehmen, „wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird“. Ruhani nannte im Gegenzug Trump am Sonntagabend einen Heuchler. Der US-Präsident konterte am Neujahrstag wiederum per Twitter, das „große iranische Volk“ sei über Jahre unterdrückt worden. Seinen Tweet beendete er in Großbuchstaben mit: „ZEIT FÜR EINEN WECHSEL!“
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte ebenfalls die Hoffnung auf einen Regierungswechsel in Teheran. „Das Regime hat Angst vor seinem eigenen Volk, deswegen werfen sie Studenten ins Gefängnis, deshalb verbieten sie soziale Medien“, erklärte er.
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte sich besorgt über die Entwicklung. „Wir appellieren an die iranische Regierung, die Rechte der Demonstranten zu respektieren, sich zu versammeln und frei und friedlich ihre Stimme zu erheben“, sagte er. Auch die EU äußerte die Erwartung, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit von der iranischen Führung garantiert werde.