Wikileaks-Informant Manning drohen bis zu 136 Jahre Haft
Washington/Berlin (dpa) - Menschenrechtsaktivisten sehen im Schuldspruch gegen den US-Soldaten Bradley Manning wegen Geheimnisverrats eine deutliche Warnung an potenzielle Informanten.
Dadurch könnten weniger Hinweise auf Fehlverhalten von Regierung und Militär an die Öffentlichkeit gelangen, kritisierten sie.
Ein US-Militärgericht in Fort Meade hatte den Informanten der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks am Vortag in fast allen der über 20 Anklagepunkte schuldig gesprochen, lediglich im Hauptanklagepunkt „Unterstützung des Feindes“ gab es einen Freispruch für den Obergefreiten. Diesem drohen jetzt bis zu 136 Jahre Haft. Das Strafmaß wird im August erwartet.
Die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen bezeichnete das Urteil gegen Manning als „gefährlichen Präzedenzfall“. „Mutige Menschen wie er und Edward Snowden sind unverzichtbar, damit Journalisten Fehlentwicklungen publik machen können“, erklärte Geschäftsführer Christian Mihr. Whistleblower müssten gesetzlich geschützt werden, forderte er. Die Verfolgung von Journalisten und Informanten habe in den USA unter Präsident Barack Obama „besorgniserregende Ausmaße“ angenommen. Die Regierung beschlagnahmte etwa Telefondaten der Nachrichtenagentur Associated Press.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte mit Kritik. Im Kampf um die nationale Sicherheit habe die US-Regierung mit dem Prozess gegen Manning die falschen Prioritäten gesetzt. „Es scheint, dass er das Richtige tun wollte: rechtswidriges Verhalten der Regierung mit glaubwürdigen Beweisen aufdecken.“
Das US-Militärgericht hatte Manning unter anderem wegen Spionage, Geheimnisverrats, Computerbetrugs und Diebstahls schuldig gesprochen. Im Anklagepunkt „Unterstützung des Feindes“ (aiding the enemy) befand Richterin Denise Lind den 25-Jährigen aber für nicht schuldig. Einige Dutzend Demonstranten zogen vor das Weiße Haus in Washington, um von Obama Freiheit für den 25-Jährigen zu fordern. Es gebe noch Hoffnung, dass Manning von der US-Regierung begnadigt werde, sagte Malachy Kilbride vom Unterstützernetzwerk „Manning Support Network“.
Die Beratungen über das Strafmaß begannen am Mittwoch in Fort Meade. Nach Ansicht von Rechtsexperten könnte die Sache auch vor dem Berufungsgericht landen.
Die US-Bürgerrechtsgruppe ACLU betonte, die Weitergabe von Informationen im öffentlichen Interesse sollte nicht als Spionage verfolgt werden. „Es scheint klar, dass die Regierung versucht, jeden einzuschüchtern, der künftig wichtige Informationen aufdecken könnte.“
Ähnlich reagierte die Electronic Frontier Foundation (EFF), die sich für digitale Rechte einsetzt und derzeit gegen US-Spähprogramme klagt. Sie zeigte sich erleichtert, dass Manning vom schwersten Vorwurf der „Unterstützung des Feindes“ freigesprochen wurde. Dennoch sei das Urteil „sehr besorgniserregend“.
Daniel Domscheit-Berg, der eine Zeit lang bei Wikileaks aktiv war, der Plattform aber im Streit den Rücken kehrte, sagte der dpa: „Ich glaube nicht, dass das Urteil Leute abschreckt.“ Ein Beispiel dafür seien die Veröffentlichungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Es werde weiter Menschen geben, „die sich ein Herz fassen“ und Missstände öffentlich machen.
Beobachter vermuten, dass Wikileaks-Chef Julian Assange nach dem Schuldspruch Mannings als dessen Unterstützer der Prozess gemacht werden könnte. Assanges Jurist und Anwalt Michael Ratner ging in einem Interview mit dem Sender „Democracy Now“ davon aus, dass der Wikileaks-Chef als „Mitverschwörer“ vor Gericht gestellt werden könnte - sollten die USA ihn zu fassen kriegen. Assange sitzt seit über einem Jahr in der Botschaft Ecuadors in London fest und fürchtet, beim Verlassen der Botschaft festgenommen und an die USA ausgeliefert zu werden.