Zwei Jahre nach der Revolution: Das neue Ägypten versinkt in Resignation

Anfang 2011 wurde Hosni Mubarak gestürzt. Ab April wird erneut gewählt. Was hat die neue Epoche am Nil bisher gebracht?

Kairo. Mit Hoffnung waren viele Ägypter in die neue Zeit gegangen. Mit Hoffnung auf ein Ende der Korruption. Auf ein zeitgemäßes Bildungssystem. Auf ein menschenwürdiges Gesundheitssystem. „Nichts hat sich geändert. Das Alte ist nur schlimmer geworden“, hört man heute.

Bestes Beispiel für die trostlose Lage ist der Müll, der buchstäblich zum Himmel stinkt. „Nach der Revolution ging ein Ruck durchs Land“, schildert Michaela Schmalvogl, Chef-Reiseleiterin von Alltours in Ägypten.

„Wir haben gemeinsam unser Wohnviertel aufgeräumt — Einheimische und Ausländer. Aber die Säcke wurden nicht abgefahren. Inzwischen haben die Menschen resigniert.“

In einem Kairoer Vorort kokeln auf der Standspur einer Hochstraße riesige Müllhalden vor sich hin. Ein Seitenkanal des Nil: randvoll mit Abfall — keine Wasserfläche mehr zu sehen. Karim El Sharkawi (48) zuckt hilflos mit den Schultern: „Seit dem Machtwechsel ist keine Polizei mehr auf den Straßen, die der Anarchie Einhalt gebieten könnte.“

Karim ist gelernter Buchhalter. „Bis zur Revolution hatte unser Staat 90 Milliarden ägyptische Pfund Rücklage (rund 10,5 Milliarden Euro). Heute sind es nur noch 15 Milliarden (1,75 Milliarden Euro).“ Niemand weiß, wohin etwa Ägyptens Haupteinnahmen fließen: die Passagegebühren für den Suezkanal.

Die neue Regierung der Muslimbrüder hat offensichtlich keinen Plan, wie sie das Land vor dem Verfall retten will. Das Schulsystem: heruntergekommen. Ein Lehrer verdient umgerechnet 100 Euro im Monat — abzüglich Steuern. Ein systematisches Gesundheitswesen: Fehlanzeige. Wer ärztlich behandelt werden will, muss sich zuvor das Nötigste in der Apotheke besorgen. Alles auf eigene Kosten.

Die Arbeitslosigkeit ist groß. Am Straßenrand sitzen Männer, die nichts mehr besitzen als einen Hammer und einen Meißel. Wer Handwerker braucht, kann sie für 70 Pfund am Tag anheuern. Das ist nicht einmal ein Euro.

Treibstoff ist knapp — an den Tankstellen bilden sich im Nu Schlangen, wenn Diesel im Angebot ist. Allein die Tourismusbranche ist von Mängeln verschont. Sie ist der größte Arbeitgeber und eine der Haupt-Devisenquellen Ägyptens.

Von April bis Juni wird im Land am Nil neu gewählt. Die politisch interessierten Ägypter geben sich keiner Illusion hin: Die Wähler, die überhaupt ihre Stimme abgeben, werden mehrheitlich wieder die Islamisten wählen.

Die größte Sorge ist, dass das Militär wieder die Macht übernimmt. Das bedeute Notstand, Willkür, Ende der Meinungsfreiheit. Karim El Sharkawi: „Wir Ägypter haben Geduld. Aber auf Dauer machen wir Diktatur nicht mehr mit. Mubaraks Macht dauerte 30 Jahre — und war im Januar 2011 in 18 Tagen zerstört.“