Nuklearabkommen Belgien schaltet Reaktoren nicht ab

Das Nuklearabkommen mit Deutschland ermöglicht gegenseitige Inspektionen. Aber die Sorge auf deutscher Seite bleibt.

Das belgische Atomkraftwerk Tihange südwestlich von Lüttich liegt auch nur 60 Kilometer von Aachen entfernt. Die pannenanfälligen belgischen Atommeiler sind für Deutschland immer wieder Grund zur Sorge. Am Montag haben beide Länder in Brüssel ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der nuklearen Sicherheit geschlossen.

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Brüssel. Neue Äußerungen aus Belgien zur Sicherheit der dortigen Atomkraftwerke haben die Sorge im Grenzgebiet weiter geschürt. Denn anders als Deutschland hält Belgien seine Atomkraftwerke trotz der jüngsten Zwischenfälle in den Anlagen Doel und Tihange für absolut sicher. Die Forderung nach Abschaltung der zwei umstrittenen Reaktoren unweit der deutschen Grenze wies Innenminister Jan Jambon am Montag zurück. „Im Moment bin ich 100 Prozent gewiss, dass unsere Atomanlagen sicher sind“, sagte er bei der Unterzeichnung eines deutsch-belgischen Nuklearabkommens in Brüssel.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte gefordert, die mehr als 30 Jahre alten Anlagen Doel 3 und Tihange 2 zumindest zeitweise stillzulegen und zu überprüfen. In Reaktordruckbehältern waren dort vor Jahren Haarrisse entdeckt worden. Vor allem in Nordrhein-Westfalen herrscht deshalb Sorge und Unverständnis über das jüngste Abkommen. „Ich bin tief enttäuscht. Damit wird eine deutsch-belgische Nuklearkommission geschaffen, die ein reiner Papiertiger ohne irgendwelche Kompetenzen ist“, sagte Helmut Etschenberg (CDU) von der Städteregion Aachen. Sie wäre im Ernstfall am stärksten betroffen.

Auch Hendricks sagte in Brüssel, das deutsch-belgische Abkommen könne sicher nicht alle Erwartungen der grenznahen Gemeinden erfüllen. „Das Abkommen ist keine Vereinbarung über die Stilllegung von Atomkraftwerken in Belgien“, sagte Hendricks. Es sei aber die Grundlage für eine offene und kritische Diskussion.

Er wisse, dass es in Deutschland viele Fragen gebe, sagte auch Belgiens Innenminister Jambon. Die unabhängige und international anerkannte belgische Atomaufsicht Fanc sehe aber keinerlei Risiko. Gäbe die Fanc eine andere Beurteilung ab, würde er dem sofort folgen, versicherte der Minister.

Belgien hatte sich schon einmal zu einem Atomausstieg ab 2015 entschlossen, die Laufzeiten aber dann doch wieder bis 2025 verlängert. Jambon bekräftigte, dass dann alle Kernkraftwerke abgeschaltet würden. Bis dahin erarbeite man eine Strategie, den Strom aus anderen Quellen zu ersetzen. Derzeit deckt das Land mehr als die Hälfte seines Verbrauchs mit Atomstrom.

In dem neuen Abkommen vereinbaren beide Länder rechtlich verbindlich, sich gegenseitig zu informieren und auch an Inspektionen in Atomkraftwerken zu beteiligen. Dazu gründen sie eine Kommission, die mindestens einmal im Jahr tagen soll. Hendricks sprach von einem großen Erfolg, in nur zehn Monaten ein solches Abkommen ausgehandelt zu haben. Zusätzliche Informationen könnten auch Bedenken der Bevölkerung begegnen.

Allerdings dämpfte die Ministerin im WDR5-Interview die Erwartungen, was eine Abschaltung der Atomreaktoren betrifft: „Ja natürlich, wir haben die Belgier aufgefordert das zu tun, aber mehr als eine — ich sag mal — Aufforderung oder begründete Bitte können wir leider nicht äußern.“

Tihange bei Lüttich liegt rund 60 Kilometer südwestlich von Aachen. Die Regionsverwaltung hat mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen vor einem belgischen Gericht gegen den weiteren Betrieb geklagt.

Reaktorsicherheitsexperte Hans-Josef Allelein von der RWTH Aachen nannte im Deutschlandradio Kultur die belgische Sicherheitskultur zumindest zweifelhaft. Forderungen nach einem Abschalten der beiden Reaktoren in Doel und Tihange hält Allelein aber offenbar für übertrieben. „Ich bin von den beiden Reaktoren weniger beunruhigt als über das, was ich in der Gesamtheit gesehen habe“, sagte er.