„Tag des Zorns“ Erneut Verletzte bei Unruhen am Tempelberg
Tel Aviv (dpa) - Bei erneuten Unruhen am Tempelberg in Jerusalem sind in der Nacht zu Mittwoch 14 Palästinenser und zwei Polizisten verletzt worden. Hintergrund der angespannten Situation sind verschärfte Sicherheitschecks für Muslime am Tempelberg.
Die Kontrollen hatte Israel am Sonntag nach einem blutigen Attentat am Freitag eingeführt. Das Auswärtige Amt forderte Deutsche dazu auf, das Gebiet zu meiden.
Ein Palästinenser sei von einem Gummimantelgeschoss schwer verletzt worden, teilte der Palästinensische Rote Halbmond mit. Zahlreiche Menschen atmeten zudem Tränengas ein. Polizisten wurden laut einer Polizeisprecherin mit Steinen und Brandflaschen beworfen.
Am Vormittag wurde der Tempelberg zeitweise für Nicht-Muslime und Touristen geschlossen, weil eine Gruppe Juden sich nicht an die geltenden Regeln auf dem Areal gehalten hatte. Sie hätten gestört und seien entfernt worden, sagte die Polizeisprecherin.
Der Tempelberg mit der Klagemauer sowie der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom ist für Juden wie auch Muslime eine wichtige heilige Stätte. Der Streit um die Besuchsrechte, also wer den Hügel betreten und dort beten darf, hatte schon in der Vergangenheit zu Spannungen und Gewalt geführt.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verkürzte wegen der angespannten Situation seine aktuelle Auslandsreise, wie sein Sprecher am Mittwochabend mitteilte. Abbas wird bereits am Donnerstag zurückerwartet, statt wie geplant am Sonntag. Anfang der Woche war er in China gewesen.
Vertreter der Palästinenser hatten immer wieder die Befürchtung geäußert, Israel wolle nach und nach die Kontrolle über den Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) übernehmen. Gerade vor diesem Hintergrund kritisierte der Großmufti von Jerusalem, Mohammed Ahmed Hussein, die neuen Sicherheitsschleusen mit Metall-Detektoren. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte bereits am Freitag betont, er werde den Status quo nicht verändern.
Die Fatah-Partei von Abbas hatte für Mittwoch zu einem „Tag des Zorns“ aufgerufen. Auch die radikalislamische Hamas und der Islamische Dschihad riefen zu Protesten und Gewaltakten gegen Sicherheitskräfte im Westjordanland und im Gazastreifen auf.
Nach palästinensischen Angaben kam es zu Konfrontationen mit Sicherheitskräften in Kalandia nördlich von Jerusalem. Ein Palästinenser wurde verletzt. Außerdem meldete die Polizei Zusammenstöße mit Palästinensern südlich von Jerusalem und nordöstlich der Altstadt.
Das Auswärtige Amt forderte Deutsche dazu auf, wegen der Unruhen das Gebiet am Tempelberg, Teile der Altstadt sowie die nähere Umgebung zu meiden. Dabei verwies die Behörde auch auf den Freitag mit den für Muslimen besonders wichtigen Freitagsgebeten.
Palästinensische Vertreter in Jerusalem forderten die Moscheen in der Stadt dazu auf, am Freitag nicht zum Gebet zu rufen. Sie sollten stattdessen Gläubige auffordern, so nahe wie möglich an der Al-Aksa-Moschee zu beten.
Grundsätzlich kommen zu den Freitagsgebeten an der Al-Aksa-Moschee mehrere Tausend Menschen aus den Palästinensergebieten. Am Freitag hatte Israel nach dem Attentat den Zugang zu dem Hügel geschlossen und so auch die dortigen Freitagsgebete unterbunden - das erste Mal seit 1969.
Der deutsche Koordinationsrat der Muslime kritisierte die neuen israelischen Sicherheitsmaßnahmen und schrieb in einer Stellungnahme: „Die Schließung der Al-Aksa-Moschee mit Predigtverbot zum Freitagsgebet am höchsten Feiertag in der Woche der Muslime trägt nicht zur Lösung des Konfliktes bei.“ Nun müsse alles getan werden, damit „der Konflikt nicht weiter religiös aufgeladen wird“.
Bei dem Attentat am Freitag hatten drei arabische Israelis zwei israelische Polizisten an einem der Zugänge zum Tempelberg tödlich verletzt. Sie wurden bei dem Anschlag selbst erschossen.
Israel hat 1967 im Sechs-Tage-Krieg unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Israel annektierte später den arabisch geprägten Ostteil Jerusalems mit der Altstadt. Dies wird international jedoch nicht anerkannt.
Die Zugänge zum Tempelberg kontrolliert Israel. Für die Verwaltung des Tempelberges ist allerdings die jordanische Wakf-Stiftung verantwortlich. Die Palästinenser wollen das von Israel besetzte Westjordanland für einen unabhängigen Staat Palästina mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.