Gesetz Kampf gegen Extremismus: Neues Gesetz soll Demokratieprojekte stärken
Echter Fortschritt oder „Gesetz ohne Inhalt“? Zum geplanten Demokratiefördergesetz der Bundesregierung gehen die Meinungen auseinander. Klar ist: Auf konkrete Verbesserungen müssen die Initiativen, die es betrifft, noch warten.
Rassismus, Hass im Netz und Verschwörungstheorien: Die Liste von Phänomenen, die die demokratische Ordnung gefährden, ist lang. Erst vor wenigen Tagen hat die Polizei in elf Bundesländern sogenannte Reichsbürger festgenommen, weil sie in Deutschland mit Waffengewalt einen Umsturz der Bundesregierung geplant haben sollen. „Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit“, betont Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Deshalb müsse jede Initiative, die sich dafür einsetze, noch stärker als bisher gefördert werden. Und genau darauf zielt das neue Gesetz zur Demokratieförderung ab, das das Bundeskabinett an diesem Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Hier ein Überblick:
Hauptziel des Gesetzes
Das neue Gesetz soll Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie und die Prävention von Extremismus einsetzen, künftig mit einer verlässlicheren finanziellen Grundlage ausstatten. Bislang sind vom Bund finanzierte Demokratieförderprojekte immer zeitlich befristet - weshalb sie für diejenigen, die sie umsetzen, oft unsichere Rahmenbedingungen mit sich bringen. Die durchschnittliche Förderperiode beläuft sich nach Angaben des Familienministeriums auf drei bis fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit wissen viele Betroffene nicht, ob es für sie und ihr Projekt im darauffolgenden Jahr weitergeht. Ziel der Bundesregierung ist es, ihnen mehr Sicherheit zu geben. Das neue Gesetz schaffe hierfür erstmals eine gesetzliche Grundlage, sagt Familienministerin Lisa Paus (Grüne). „Prekäre“ Bedingungen sollen der Vergangenheit angehören.
Akuter Handlungsbedarf
Paus und Faeser verweisen auf eine zunehmende Radikalisierung und Polarisierung in der Gesellschaft und auf die Gefahr, die insbesondere von rechten Kräften ausgehe. „Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist der Rechtsextremismus“, betont Faeser am Mittwoch mit Verweis auf eine Feststellung, die sie bereits bei ihrem Amtsantritt getroffen hatte. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie und im Zuge des russischen Angriffskriegs hätten außerdem Hass im Netz und die Verbreitung von Verschwörungsideologien eine neue Dimension erreicht. Es sei deshalb dringend nötig, zivilgesellschaftlichen Gruppen, die mit ihrem Engagement dagegenhalten, den Rücken zu stärken, betonen die beiden zuständigen Ministerinnen.
Was das Gesetz konkret bedeutet
Für betroffene Projekte ändert sich mit dem Gesetz im Alltag zunächst nichts. Erst im kommenden Jahr sollen konkrete Förderrichtlinien Klarheit über die Details bringen - etwa auch über die Frage, wer genau künftig stärker gefördert werden soll. Es handele sich jetzt erst einmal um ein „Rahmengesetz“, betont Faeser. Eine Entfristung der Förderung könne es auf der Grundlage des neuen Gesetzes nicht geben. Das liegt in der Natur der Sache: Die Förderung wird auch weiterhin den Haushaltsvorgaben des Parlaments unterworfen sein. „Das Gesetz beinhaltet keinen Anspruch auf Förderung und auch keine Verpflichtung zur Förderung von Mehrbedarfen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen oder Trägern durch den Bund“, heißt es im Entwurf. Letztendlich entscheidet also der Bundestag darüber, welche Haushaltsmittel er für welche Projekte zur Verfügung stellt.
Öffnung der Förderung für Erwachsene
Neu vorgesehen ist, dass künftig auch Erwachsene von der Bundesförderung profitieren sollen. So richte sich bislang eine der zentralen Bundesinitiativen, das Programm „Demokratie Leben!“, nur an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Paus geht davon aus, dass die Öffnung für Erwachsene ab 2024 greifen kann. Das Programm „Demokratie Leben“ fördert deutschlandweit rund 600 Initiativen.
Kontrolle der Empfänger soll erhalten bleiben
Paus und Faeser versichern, dass auch künftig nur jene Projekte eine Förderung des Bundes erhalten sollen, die sich auch zur demokratischen Grundordnung bekennen. Es werde selbstverständlich weiterhin die üblichen Prüfverfahren geben. Zuvor hatte sich etwa die Union sehr kritisch zu dem Gesamtvorhaben geäußert. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Throm, warnte davor, „Steuergelder in die Hände von Extremisten“ fallen zu lassen. Die Förderung von Präventionsprojekten müsse an ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung geknüpft sein, sagte er der dpa. Insgesamt stellte der CDU-Politiker den Mehrwert des neuen Gesetzes in Frage. Es sei ein „Gesetz ohne Inhalt“, kritisierte er. Auch Vereine reagierten zurückhaltend bis kritisch. „Das geplante Gesetz geht (...) nicht weit genug und wirft aktuell noch viele Fragen auf“, monierte etwa die Türkische Gemeinde in Deutschland. An der zeitlich befristeten Projektförderung ändere sich dadurch nichts.