Sebastian Kurz verunglimpft In der Twitter-Falle: WDR-Chefredakteurin nennt Sebastian Kurz „Pimpf“
Köln/Hamburg. Sie hatte es fast geschafft, da langte Sonia Mikich nach einer Woche Gast-Twittern dann doch noch richtig daneben: Auf dem Twitter-Account der „Tagesthemen“ teilte die WDR-Chefredakteurin am Sonntagnachmittag eine österreichische Foto-Montage, die unter anderem Sebastian Kurz zeigte, der am Montag als Bundeskanzler des Nachbarlandes vereidigt wird.
Dazu fragte Mikich: „Warum sieht der da vorne wie ein Pimpf aus?“
Mit einer Überdosis an gutem Willen hätte man Sonia Mikich sicher unterstellen können, sie benutze das Wort „Pimpf“ synonym für „kleiner Junge“, was allerdings selbst für eine 66-jährige Chefredakteurin ein reichlich gestriger Sprachgebrauch wäre. Das Netz verstand dagegen in voller Absicht, dass „Pimpf“ den männlichen Nachwuchs der nationalsozialistischen Hitlerjugend bezeichnet. Als „Pimpfe“ wurde dort der jüngste Jahrgang des deutschen Jungvolks bezeichnet, der sogar eine regelrechte „Pimpfen-Prüfung“ abzulegen hatte.
Als Mikich anhand der Reaktionen wohl dämmerte, was sie da losgetreten hatte, schickte sie auf dem @tagesthemen-Account einen zweiten Tweet hinterher, der im Netz nur in die Hose gehen konnte: „Liebe alle! Soviel Leidenschaft wegen Frisurkritik. Von Politik oder Alter oder Erfolg war garnicht die Rede. Keep cool, es ist der dritte Advent.“ Was an Kurz-Anhängern zuvor noch nicht auf dem Baum war, war es spätestens danach. Zumal „Frisurkritik“ die Interpretation weiter verstärkte, Mikich habe Kurz mit der Kinder-HJ des Dritten Reichs vergleichen wollen.
Den Twitter-Vogel schoss die WDR-Chefredakteurin allerdings erst mit dem dritten @tagesthemen-tweet in eigener Sache ab: „Oh je, ich merke: Ironie funktioniert garnicht. Darum tut es mir leid, wenn jemand jetzt beleidigt ist. Kein Nazivergleich gemeint. Gleichzeitig verzeihe ich auch alle Beleidigungen gegen eigene Person, Journalismus, Merkel, Tagesthemen, die ich gelesen habe.“
Unter den mehr als 160 Antworten, die Sonia Mikich sich dafür einhandelte, dominierten Ablehnung und Häme für die nachgeschoben wirkende Ironie-Behauptung. Die Wohlmeinenden in der Debatte fragten allerdings von Anfang an, wie der „Pimpf“-Vergleich überhaupt zu einem Account der @tagesthemen und dem Anspruch der Sendung passe. Im September 2017 hatte die ARD verkündet, dem Account mit damals rund 236.000 Followern „neues Leben“ einzuhauchen, indem man ihn wochenweise vergebe. „Menschen aus der vielfältigen ARD-Welt (…) bekommen für eine Woche den Account, um ihn mit ihrer ganz persönlichen Handschrift zu bespielen.“ Dort sei dann auch Raum „für den persönlichen Blick auf und hinter die Nachrichten.“
Offenbar fürchtete bei der ARD niemand, damit könne die eigene Marke beschädigt werden. Stattdessen fürchtete man in der Anstalts-Arbeitsgemeinschaft offenbar eher einen Plagiatsvorwurf: „Na super, werden Sie denken, haben die Typen von der Tagesschau dieses Format auch schon entdeckt. Stimmt, die Idee ist nicht neu, und seit „Die Zeit“ erstmals damit gestartet ist, haben andere Medien nachgezogen. Aber das ist für uns kein Grund, es nicht auch mal zu versuchen.“ Immerhin: Die Zahl der Follower ist in den vergangenen Wochen auf mehr als 250.000 gestiegen.