Zwei Tage vor dem Gipfel Alternativgipfel kritisiert G20: „Kofferträger des Kapitals“
Hamburg (dpa) - Zwei Tage vor dem G20-Gipfel haben Kritiker den Staats- und Regierungschefs der Top-Wirtschaftsmächte vorgeworfen, nur „Kofferträger des internationalen Kapitals“ zu sein.
Auf den Diskussionen zu Beginn des alternativen Gipfels in Hamburg wurden Ausbeutung, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die Macht multinationaler Konzerne, zunehmende Repression und die Zerstörung natürlicher Ressourcen beklagt.
Der zweitägige „Gipfel der globalen Solidarität“ sucht nach Alternativen zur Politik der G20, die aus Sicht der Organisatoren die großen Probleme der Welt wie Klimawandel, Kriege und Hunger nicht lösen können. In 17 Podiumsdiskussionen und 75 Arbeitskreisen wird die Kritik gesammelt, sollen Alternativen identifiziert und Strategien zur Umsetzung entwickelt werden. Mehr als 1500 Teilnehmer aus 20 Ländern wurden in Hamburgs Kulturfabrik Kampnagel erwartet.
Zum Auftakt übte die Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, scharfe Kritik an der Globalisierung und der Rolle der G20-Staats- und Regierungschefs: „Ich sehe die G20 selbst als Sherpas.“ Damit spielte die Inderin auf die „Sherpas“ genannten hohen Regierungsbeamten an, die für die Staats- und Regierungschefs den Weg zum Gipfel vorbereiten. „Sie sind die Sherpas der globalen Finanzwirtschaft.“ Shiva beklagte auch eine „Wirtschaft der Gier“.
In den Diskussionen griffen auch andere Teilnehmer wiederholt das Bergsteigerbild der „Lastenträger“ für das Großkapital auf. Nach der globalen Finanzkrise 2008, die eigentlich das Bewusstsein für die Risiken hätte schärfen sollen, profitierten heute wieder große Banken von der Politik; extremer Reichtum konzentriere sich in den Händen weniger, kritisierte Valter Sanches, Generalsekretär des weltweiten Gewerkschaftsdachverbandes IndustriALL Global Union, der 50 Millionen Arbeiter vertritt.
Die Versuche, Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren, stießen auf massiven Gegenwind. Sanches nannte als Beispiele die G20-Staaten Türkei, Indien, Indonesien, Mexiko, Argentinien und selbst den Süden der USA. Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich Böll-Stiftung, die zu den Organisatoren des Treffens gehört, beklagte auch eine „große Repression gegen die Zivilgesellschaft, nicht nur in Russland, China und der Türkei, sondern auch in Indien, Mexiko und selbst in Hamburg hier vor der Tür“. Die Polizei der Hansestadt stelle mit ihren Demonstrationsverboten „Polizeirecht vor Versammlungsrecht“.
Auch wenn Deutschland international als relativ gerecht und sozial wahrgenommen werde, wüchsen die Ungleichheit und die Kluft zwischen Arm und Reich, sagte Unmüßig. Die soziale Spaltung nehme zu. Durch die Globalisierung seien deutsche Verbraucher stark in den kapitalistischen Welthandel eingebunden und nutzten die Ausbeutung in anderen Ländern, um Billigprodukte kaufen zu können. „Wir müssen unseren Lebensstil ändern.“
Scharfe Kritik gab es auf dem Treffen auch an der Klimapolitik der G20-Staaten, die zwar das Pariser Abkommen unterzeichnet hätten, aber bislang keine nationalen Verpflichtungen eingegangen seien, um das Zwei-Grad-Ziel auch wirklich zu erreichen. Nach dem Rückzug der USA unter Präsident Donald Trump aus der Vereinbarung stelle sich Kanzlerin Angela Merkel jetzt als Klimaschützerin dar. Doch herrsche eine „klimapolitische Doppelmoral“, weil Deutschland weiter viel zu viel Kohle verbrenne, sagt Unmüßig. Wenn es Merkel wirklich ernst meine, müsse sie den Ausstieg aus der Kohleverstromung verkünden.
Der bunte Alternativgipfel ist eine Besonderheit vor dem Hamburger G20-Gipfel. Er unterscheidet sich von dem sogenannten Civil20, an dem auch stärker die großen internationalen Entwicklungsorganisationen wie Oxfam oder ONE beteiligt sind. Der Gipfel der Zivilgesellschaft (C20) ist Teil des jährlichen Konsultationsprozesses der G20 und fand bereits am 18. und 19. Juni in Hamburg statt. Damals übergaben Vertreter von rund 200 Nichtregierungsorganisationen Kanzlerin Angela Merkel einen Forderungskatalog an die G20.