20 700 Dienstreisen pro Jahr Berlin-Bonn-Teilung: Debatte um Komplettumzug wird lauter
Berlin/Bonn (dpa) - Ein Bericht von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) über die Aufteilung der Ministerien auf Bonn und Berlin hat Rufe nach einem kompletten Umzug lauter werden lassen.
Die am Dienstag in beiden Städten vorgestellte Analyse kommt zu dem Schluss, dass die doppelten Dienstsitze der Bundesministerien die Regierungsarbeit erschwerten. Zwar würden Aufgaben vollständig und fristgerecht erfüllt, heißt es in einem Berichtsentwurf. „Allerdings wird die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung hier durch einen erheblichen Mehraufwand und damit auf Kosten der Effizienz aufrechterhalten.“
Für den Bericht hatte Hendricks, die Sonderbeauftragte des Bundes für den Berlin-Umzug ist, leitende Mitarbeiter der Ministerien befragen und Daten sammeln lassen. Wegen der zwei Standorte gab es demnach im vergangenen Jahr rund 20 700 Dienstreisen zwischen den Städten. Hendricks betonte, dass keine noch so aufwendige technische Unterstützung die persönliche Anwesenheit etwa in einer Besprechung ersetzen könne. „Diese Zusammenarbeit funktioniert. Aber sie funktioniert nur mit erheblichem Mehraufwand.“
Der Bund der Steuerzahler machte sich angesichts der Ergebnisse für einen Komplettumzug stark. „Die Zweiteilung muss beendet werden, weil die Regierungsarbeit einen zentralen Standort braucht - und das ist Berlin“, erklärte Präsident Reiner Holznagel, der den aktuellen Zustand als „teuren Luxus“ bezeichnete.
Ähnlich argumentiere die Linke-Fraktion. „Auf das Hickhack um die Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin gibt es nur eine Antwort: Es ist höchste Zeit für den Komplettumzug aller Ministerien nach Berlin“, teilte die Abgeordnete Susanna Karawanskij mit. Steuergelder würden verschwendet.
Die Kosten der Teilung spielen in dem Berichtsentwurf allerdings eine untergeordnete Rolle. Alle zwei Jahre gibt es aber einen eigenen Teilungskostenbericht. Demnach kostet die Teilung den Steuerzahler im Haushaltsjahr 2016 geschätzt 7,5 Millionen Euro.
Dem Bericht zufolge arbeiten derzeit von knapp 20 000 Beschäftigten bereits 64 Prozent in Berlin und 36 Prozent in Bonn (Stand Ende 2015). Die Bonner Mitarbeiter sind dabei im Durchschnitt fünf Jahre älter als die Kollegen in Berlin - und drei Viertel werden in den kommenden rund 20 Jahren in den Ruhestand gehen. „Bei ungesteuertem Fortlauf der Entwicklung wird sich die Verlagerung von Ministeriumsarbeitsplätzen verschärfen“, sagte Hendricks.
Der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) und die Landräte des Rhein-Sieg-Kreises und des Kreises Ahrweiler, Sebastian Schuster und Jürgen Pföhler, reagierten mit Bedauern auf die Veröffentlichung des neuen Berichts. Man begrüße aber, dass Hendricks ergebnisoffene Gespräche führen wolle und ein „Komplettumzug nach Berlin kein Thema zu sein scheint“. Hendricks hatte betont, dass sie mit dem neuen Bericht ausdrücklich keine Empfehlung in der Debatte abgebe. Sie habe auch nie von einem Komplettumzug gesprochen.