Verfassungsschutz Berlin geht Spionageverdacht gegen türkischen Dienst nach
Berlin (dpa) - Die Verfassungsschutzbehörden gehen dem Verdacht nach, dass der türkische Geheimdienst MIT in großem Umfang Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert.
Eine Liste mit Namen angeblicher Gülen-Anhänger, die der MIT im Februar dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) überreicht hatte, wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur an Sicherheitsbehörden in allen Bundesländern weitergegeben. Dort gehen nun in der Regel die Polizeibehörden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutionen zu, um sie über den Spionageverdacht zu informieren.
Der türkische Geheimdienst hatte BND-Chef Bruno Kahl die Liste am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz übergeben. Sie enthält Namen von mehr als 300 in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern. In dem Papier sollen neben Einzelpersonen auch mehr als 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzuordnende Vereine, Schulen und andere Institutionen benannt werden.
Der deutsche Auslandsgeheimdienst erklärte auf Anfrage: „Zu angeblichen Terminen seines Präsidenten und zu Einzelheiten internationaler Kontakte äußert sich der BND grundsätzlich nicht öffentlich.“
In Deutschland ist der Verfassungsschutz für die Spionageabwehr zuständig. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 verantwortlich. Die Gülen-Bewegung wird in der Bundesrepublik nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.
Das Recherchenetzwerk von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR hatte berichtet, die an Kahl überreichte MIT-Liste enthalte Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern sowie viele Fotos von Betroffenen. Eine Auswertung habe ergeben, dass etliche Fotos offenbar heimlich etwa durch Überwachungskameras aufgenommen worden seien.
Innenminister Thomas de Maizière hat solche Ausforschungen scharf kritisiert. „Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet. Das gilt für jeden ausländischen Staat und auch für jeden Nachrichtendienst“, sagte der CDU-Politiker in Passau. Ausforschungen dieser Art würden vom Verfassungsschutz beobachtet, bei Verstößen seien Konsequenzen möglich - etwa der Verlust der Aufenthaltserlaubnis oder sogar strafrechtliche Ermittlungen.
Generell zeigte sich de Maizière von den Vorwürfen nicht überrascht: „Wir haben der Türkei auch schon mehrfach gesagt, dass sowas nicht geht. Unabhängig davon, wie man zu der Gülen-Bewegung steht, hier gilt deutsches Recht und hier werden nicht Bürger die hier wohnen von ausländischen Behörden ausspioniert“, sagte er.
De Maizière betonte, es dürfe weder für Deutsche noch für hier lebende Türken, die kritisch zur Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan stünden, eine Reisebeschränkungen in der Türkei geben dürfe: „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die der Türkei irgendwie missliebig sind, Sorge haben müssen, in die Türkei zu fahren. Das kann nicht die Zukunft des deutsch-türkischen Verhältnisses sein.“ Die Türkei sei zudem nicht nur ein Nato-Partner, sondern auch ein beliebtes Land für Touristen. „Die Türkei hat auch ein Interesse daran, dass regelmäßig Touristen aus Deutschland ins Land kommen.“