Die Bahn setzt auf Bodycams
Als Schutz gegen Angreifer sollen Mitarbeiter verstärkt mit Körperkameras ausgestattet werden. Datenschützer üben Kritik.
Düsseldorf. Nachdem seit April dieses Jahres die Polizei in NRW mit Bodycams ausgestattet wurde, setzt nun auch die Deutsche Bahn bundesweit auf Körperkameras für ihre Mitarbeiter. Damit will die Bahn die Sicherheit ihrer Beschäftigten auf Bahnhöfen und in Zügen verbessern; Pilottests in Köln und Berlin seien positiv verlaufen, teilte das Unternehmen mit. Welche Kosten für die Kameras anfallen und in welchem Umfang sie eingesetzt werden sollen, wollte die Bahn nicht bekanntgeben.
Besonders bei Sport- und Großveranstaltungen sollen die filigranen Kameras ab dem Spätsommer zum Einsatz kommen. Immer wieder hatte es in den vergangenen Jahren Übergriffe auf Bahnmitarbeiter gegeben — Tendenz steigend. 450 Vorfälle dieser Art hatte die Bahn 2016 in NRW zu verzeichnen, im Vorjahr 2015 waren es nur 360. Bundesweit registrierte die Bahn im vergangenen Jahr rund 2300 Angriffe auf Mitarbeiter.
„Von Pöbeleien und Anspucken bis hin zu körperlichen Angriffen müssen sich die Beschäftigten im Job oft einiges gefallen lassen“, berichtet ein Sprecher der Bahn auf Nachfrage unserer Zeitung. Die meisten Angriffe gebe es bei Fahrkartenkontrollen, aber auch alkoholisierte Fußballfans nach einem Spiel neigten mithin zu Gewaltausbrüchen. Derweil dürfen die Mitarbeiter ihre Körperkamera nur in einer akuten Bedrohungssituation benutzen und sind darüber hinaus verpflichtet, ihrem Gegenüber anzukündigen, wenn sie den Aufnahmeknopf betätigen. Das ausschließlich tonlose Videomaterial werde dann der Bundespolizei in verschlüsselter Form für ihre Ermittlungen zur Verfügung gestellt.
„Bodycams sichern Beweismaterial und schützen vor Angriffen“, erklärte der Infrastrukturchef der Bahn, Ronald Pofalla. Im Zuge der Pilottests seien die mit Bodycams ausgestatteten Mitarbeiter kein einziges Mal attackiert worden. Schutz vor Übergriffen soll dabei vor allem der psychologische Abschreckungseffekt bieten — so sieht der Angreifer sich bei einer Aufnahme selbst auf einem Monitor und ist so unmittelbar mit seinem eigenen Verhalten konfrontiert.
Wie lange die Aufnahmen genau gespeichert werden dürfen, ist unklar. Eine dauerhafte Aufzeichnung finde aber nicht statt, heißt es aus dem Bundespolizeipräsidium in Potsdam — für die Ermittlungen irrelevante Aufnahmen würden gelöscht.v „Die Videodateien dürfen nur von der Speichereinheit des Kamerasystems auf einem speziellen Einzelplatz-PC gespeichert werden. Durch einen Passwortschutz wird außerdem gewährleistet, dass nur Berechtigte Zugriff auf die Dateien haben“, erläutert eine Sprecherin der Bundespolizei das datenschutzrechtliche Konzept. Die Bilddateien können in ein Strafverfahren eingebracht werden; über ihre Verwertung entscheidet die Staatsanwaltschaft.
Trotz der Sicherheitsvorkehrungen gegen einen Missbrauch des Videomaterials begegnen Datenschützer den Bodycams der Bahn äußerst skeptisch. Kritik äußerte etwa der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil: „Wir haben vor kurzem erst erlebt, dass die Bahn gehackt wurde, dass dort Daten abgeflossen sind, und so ein Videomaterial kann natürlich auch missbraucht werden“, sagte Klingbeil im „ARD-Morgenmagazin“. Der Schutz der Mitarbeiter sei zwar ein berechtigtes Anliegen — allerdings bedürfe es Klarheit darüber, was mit dem Material passiert.
Ein erklärter Gegner der Bodycams für Bahnmitarbeiter ist der Künstler und Netzaktivist „Padeluun“, der seinen bürgerlichen Namen nicht verraten möchte. Als Vorsitzender des Vereins „Digitalcourage“ in Bielefeld engagiert er sich für Datenschutz und Informationsfreiheit in der Gesellschaft. „Mit diesem Instrument greift die Bahn tief in die Persönlichkeitsrechte ihrer Kunden ein“, kritisiert er im Gespräch mit unserer Zeitung.
„Ich halte die Kameras nicht nur für nutzlos, sondern auch für kontraproduktiv, da sie einen möglichen Angreifer wahrscheinlich nur noch aggressiver machen würden.“ Vielmehr sollten Bahn-Beschäftigte im Umgang mit gewaltbereiten Fahrgästen wieder lernen, eine Situation durch Kommunikation und deeskalierendes Verhalten zu entschärfen. „Die Menschen sollten einfach mal wieder lernen, respektvoll freundlich miteinander umzugehen. Und wenn das alles nichts nützt, kann man immer noch die Polizei rufen.“