Politik Die GroKo startet mit einer lustlosen Pressekonferenz

Ein bisschen Freude, ein bisschen Zukunft - Am Montag haben die Chefs der GroKo feierlich den Koalitionsvertrag unterzeichnet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer (l) und der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz geben in der Bundespressekonferenz vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages eine Pressekonferenz.

Foto: Bernd Von Jutrczenka

Berlin. „Wenn noch eine Portion Freude dazukommen könnte, dann kann das eine gute Regierungsarbeit werden.“ Sagt ausgerechnet Angel Merkel. Beifall unter den Zuschauern, darunter das gesamte neue Kabinett und viele Mitarbeiter, die sich mit der künftigen Regierung Karrierehoffnungen machen. Wer den Tag verfolgt hat in Berlin, an dem der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und CSU feierlich unterzeichnet wird, kann den Satz der Kanzlerin nur als Ironie empfinden, bestenfalls als Selbstironie. Denn selten ist eine Regierung lustloser gestartet.

Bei der Unterzeichnungszeremonie im Paul-Löbe-Haus herrscht zwar eine lockere, fast familiäre Atmosphäre. Küsschen hier, Herzchen da. Die künftigen Ministerinnen Julia Klöckner, Franziska Giffey und Katarina Barley machen in der ersten Reihe Handyfotos wie die Teenies, als Merkel, Olaf Scholz und Horst Seehofer auf der Bühne den gerade unterschriebenen Koalitionsvertrag hochhalten. In der mehr als anderthalbstündigen Pressekonferenz der drei Parteivorsitzenden unmittelbar davor aber wird deutlich, wie mühsam sich die Beteiligten in diese vierte Große Koalition der Nachkriegszeit geschleppt haben. Allerdings wirken auch die Journalistenfragen nach einem halben Jahr Verhandlungen ziemlich müde. Der Saal ist - sehr ungewöhnlich — nicht einmal voll.

Angela Merkel schafft es in über 90 Minuten nicht, irgendeine Idee des erneuerten Bündnisses zu vermitteln. Gefühl steckt allenfalls in dem merkeltypisch verschrobenen Satz: „Wir haben versucht, die Antworten zu finden, die die Menschen bewegen.“ Wo gibt es neue Impulse oder gar einen Aufbruch? Bei dieser Frage fällt der 63-jährigen Regierungschefin nur ein, dass viele neue Minister ja auch neue Impulse bedeuten, „das wird auch die Diskussion verändern“. Außerdem stehe Vollbeschäftigung im Text.

Am ausführlichsten, und, wenn man so will, noch am leidenschaftlichsten, wird die Kanzlerin, als sie erklären soll, wie sie die vielen Zuständigkeiten zum Thema Digitales koordinieren will, nämlich unter anderem mit einer Staatssekretärsrunde unter ihrem Vorsitz. „Das Kanzleramt ist der Mediator, der die Sache voranbringt.“ Das Moderieren ist noch immer Merkels Kernverständnis vom Kanzlerinsein. Auf die Frage, was das Erste sei, das man anpacken müsse, das Allerwichtigste, antwortet sie, jedes Ressort habe da seine eigene Priorität, und außerdem werde man demnächst eine Klausurtagung machen und ein Arbeitsprogramm beraten. Merkels Idee für die neue Regierung ist mit einem ihrer eigenen Sätze schnell beschrieben: „Ich freue mich für die Menschen in Deutschland, dass aus ihrer Wahl jetzt Regierungshandeln wird.“ Mit anderen Worten: Die Idee heißt Regieren.

Olaf Scholz leitet demgegenüber sowohl sein Statement bei der Bundespressekonferenz als auch bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages mit dem Satz ein: „Regieren ist kein Selbstzweck.“ Sondern es gehe darum, das Leben der Menschen besser zu machen. Der Sozialdemokrat muss den Seinen beweisen, dass er und seine Mitstreiter in dieser Großen Koalition nicht wie in der vorhergegangenen sang- und klanglos untergehen werden. Also redet er über die Herausforderungen der Gesellschaft der Zukunft, die Arbeit 4.0. Die Menschen hätten trotz der langen Aufschwungphase Angst, „und es ist verdammt noch mal unsere Pflicht, nicht nur verständnisvoll zu gucken, sondern eine Antwort zu haben“. Die SPD wolle auch über die große Koalition hinaus hierzu Perspektiven entwickeln.

Es ist eine Stelle, an der Merkel erst überrascht guckt und dann eingreift: Das sei eine Aufgabe für jede Partei, die Volkspartei sei. Auch für ihre CDU. Und dann wird die Kanzlerin doch noch einmal ganz engagiert, redet über die fundamentalen technischen und gesellschaftlichen Veränderungen. „Wir müssen viele Dinge neu denken, bis hin zum Steuer- und Sozialsystem“, sagt sie. „Natürlich nicht alles in dieser Legislaturperiode.“

Nur CSU-Chef Horst Seehofer scheint sich rundherum wohl zu fühlen mit seiner Altersaufgabe als Super-Innenminister. Einzig, dass er aus Versehen „Heimat-Museum“ sagt, als er „Heimat-Ministerium“ meint, wird ihm Verdruss bereiten. „Das kriegt er nie wieder weg“, sagt hinterher ein Sozialdemokrat mit erheblicher Schadenfreude. Dafür gelingt es dem Bayern als einzigem der drei den Koalitionsvertrag als eine Art Geniestreich zu verkaufen, und zwar als sozialpolitischen Geniestreich. Mühelos listet er die Erfolge auf, von Grundrente bis Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, von Kindergeld bis Pflege. „Es ist ein Koalitionsvertrag für die kleinen Leute“, sagt Seehofer. Schon nach dem Ende der Verhandlungen vor vier Wochen hatte der CSU-Mann mit diesen Worten Martin Schulz die Butter vom Brot genommen; diesmal Olaf Scholz. Ansonsten verspricht Seehofer „null Toleranz für Straftaten und Gewalt“ und als vorrangige Aufgabe die Durchsetzung der Abmachungen zur Flüchtlingspolitik. Hohes Tempo will er vorlegen, das sei „das beste Mittel, um wieder Vertrauen herzustellen“.

Nach sechs Monaten Regierungsbildung wäre hohes Tempo nicht schlecht, darin sind sich alle drei zum Schluss einig. Wie auch alle drei davon ausgehen, dass diese große Koalition vier Jahre hält. Mit wie viel Freude auch immer.