Umstrittenes Projekt Dobrindt: Pkw-Maut soll nach Bundestagswahl 2017 starten
Brüssel/Berlin (dpa) - Autofahrer in Deutschland müssen sich auf eine Pkw-Maut nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 einstellen. „Der Starttermin wird in der nächsten Wahlperiode liegen“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vor dem Beginn des CSU-Parteitags in München zu dem umstrittenen Projekt.
Die Pkw-Maut war eine zentrale Forderung der CSU im Bundestagswahlkampf 2013. Das dazu vorliegende Gesetz stieß allerdings auf Widerstand in Brüssel, weil EU-Bürger auf deutschen Straßen benachteiligt werden könnten. Nach monatelangem Streit bahnt sich jetzt ein überraschender Durchbruch an.
CSU-Chef Horst Seehofer lobte seinen Parteifreund Dobrindt: „Wenn ihm das gelingt, und es schaut gut aus, dann können wir sagen: Alles, aber auch wirklich alles, was wir 2013 der Bevölkerung versprochen haben, ist eingehalten worden und realisiert worden.“
Dobrindt nannte als Grund für eine weitere Verzögerung, dass die für eine Einigung mit der EU-Kommission notwendigen Änderungen der Maut-Gesetze zunächst mit dem Bundestag diskutiert werden müssten. Für die vorerst gestoppte technische Umsetzung seien zudem Ausschreibungen erforderlich.
Die Kommission knüpft den Rückzug ihrer Klage gegen die deutsche Pkw-Maut an präzise Bedingungen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es konkret um das Infrastrukturabgabegesetz und um das Kraftfahrzeugsteuergesetz.
Laut Dobrindt wird nun zusammen mit Brüssel über eine stärkere „ökologische Komponente“ der Maut und Veränderungen bei den Kurzzeit-Tarifen für Fahrer aus dem Ausland nachgedacht. Der CSU-Minister betonte: „Es bleibt dabei: Es gibt keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer.“
SPD und Grüne bezweifeln jedoch, dass man sich so rasch verständigen werde. „Die CSU sollte besser noch keinen Autokorso durch München planen, denn es gibt keinen Durchbruch bei der Maut“, sagte SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel der dpa. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann betonte, dass es eine Einigung nur geben könne, wenn der Koalitionsvertrag eingehalten werde - „dazu gehört, dass kein inländischer Autofahrer höher belastet werden darf als bisher“.
Nach den bisherigen Plänen sollen Autofahrer auf Bundesstraßen und Autobahnen maximal 130 Euro pro Jahr zahlen. Kontrolliert wird dies durch einen elektronischen Abgleich von Autokennzeichen - es gibt also keine klassische Klebe-Vignette. Inländer sollen im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden - und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Der Vorwurf aus Brüssel lautete bislang, das Maut-Modell benachteilige damit EU-Ausländer.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte deutlich, dass eine Pkw-Maut unterm Strich dem Staat mehr Geld einbringen muss. Es wäre nicht sinnvoll, eine zusätzliche Abgabe einzuführen, um im Saldo im Haushalt weniger Einnahmen zu haben. Dann würde es sich ja um eine „kontraproduktive Initiative“ handeln, meinte Schäuble am Freitag.
Österreich sieht die Annäherung zwischen Brüssel und Berlin kritisch. „Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen“, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Freitag. Die Regierung in Wien werde das deutsche Modell genau prüfen, um zu sehen, ob diskriminierende oder europarechtswidrige Punkte vorliegen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die geplante Einigung. Sie begrüße sehr, dass Dobrindt mit der EU-Kommission eine außergerichtliche Lösung verfolge, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, forderte jedoch gerade von Merkel Widerstand. „„Mit mir wird es eine Maut nicht geben.“ Wer hat es gesagt? Richtig, die Bundeskanzlerin, die sonst lieber schweigt“, twitterte Riexinger.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rechnete damit, dass es wegen Widerstands aus Österreich und den Niederlanden wahrscheinlich sei, dass die Pkw-Maut durch mögliche Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhindert wird.
Der ADAC pochte auf Einhaltung der Zusagen für deutsche Autofahrer. Sollte eine Maut tatsächlich Realität werden, müsse es verbindliche Garantien geben, forderte ein Sprecher am Donnerstagabend: „Keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, keine Ungerechtigkeiten zwischen den europäischen Autofahrern, und jede Mehreinnahme muss zweckgebunden in die Zukunft der Mobilität investiert werden.“