Doppelte Staatsbürgerschaft: Eine schwere Entscheidung
Junge Deutsch-Türken müssen sich für eine Nationalität entscheiden. Ein Besuch in Duisburg-Marxloh.
Duisburg. Die Räume der Türkischen Gemeinde Nordrhein-Westfalens befindet sich im Duisburger Stadtteil Marxloh: Hier reihen sich türkische Brautmodengeschäfte aneinander und Friseure, bei denen die Angebote nur auf Türkisch geschrieben sind.
Deniz Güner, Leiter der türkischen Gemeinde NRW, sitzt in seinem Büro, hinter ihm blicken Konrad Adenauer und Kemal Atatürk von Bildern auf ihn herab. Der Verein betreut Jugendliche in Duisburg und Krefeld, hilf ihnen auf ihrem Schul- und Ausbildungsweg.
In diesem Jahr aber haben viele der Jugendlichen ein ganz anderes Problem: Sie müssen sich für eine Nationalität entscheiden. Menschen mit Migrationshintergrund, die ab 1990 geboren sind, haben zunächst beide Pässe, müssen aber bis zum 23. Geburtstag einen abgeben. Betroffen von der Optionspflicht sind in diesem Jahr mehr als 3000 Menschen — meist Deutsch-Türken —, 2018 sollen es jährlich 40 000 sein.
„Heutzutage kann man mehrere Identitäten haben, und deshalb sollte man auch das Recht auf beide Staatsbürgerschaften haben“, sagt Deniz Güner. Jeder Mensch müsse selbst entscheiden, ob er davon Gebrauch machen wolle. Kübra Karadogan und Sanem Aksoy haben sich schon festgelegt. Karadogan hat den türkischen Pass, Aksoy den deutschen. Am liebsten hätten die Mädchen beide Nationalitäten.
Sie empfinden sowohl Deutschland als auch die Türkei als ihre Heimat, aber für beide steht fest: Wir bleiben hier. Für den deutschen Pass verzichtet Aksoy teilweise auf Erbrechte in der Türkei. Die Neuntklässlerin möchte das Abitur machen und dann Jura studieren oder Polizistin werden. „Schon allein, um Beamtin zu werden, brauche ich den deutschen Pass.“
Karadogan bleibt Türkin, entschieden hat das ihre Familie. „Das ist häufig so“, erklärt Güner. Warum ihre Mutter möchte, dass sie Türkin bleibt? „Man kann auch mit dem türkischen Pass weit kommen“, sagt Nurten Karadogan, die selbst schon in Duisburg aufgewachsen ist. Sie habe stets Arbeit gefunden. „Integration heißt für mich zunächst, die Sprache zu beherrschen.“
Doch gerade das ist heutzutage gar nicht mehr so leicht: Dass in Marxloh viele Kinder mit Migrationshintergrund sind, stört die Mädchen. „Bei uns gibt es nur zwei Deutsche in der Klasse.“ Um sich noch besser zu integrieren, haben sie mit einer Freundin beschlossen, nur noch Deutsch und kein Türkisch mehr zu sprechen. „Damit es richtig zu unserer Muttersprache wird.“
Die meisten deutsch-türkischen Jugendlichen sind hier angekommen. Deniz Güner glaubt, dass sich mindestens 80 Prozent der Deutsch-Türken für den deutschen Pass entscheiden. Sie wollen von den Privilegien wie etwa das Wahlrecht, die es nur für Deutsche gibt, profitieren. Problematisch sei aber der fade Beigeschmack, der bleibe. „Der italienische Freund darf beide Pässe haben, der türkische Junge muss einen abgeben und fühlt sich unfair behandelt.“
Das werde sich negativ auf das Zusammenleben auswirken, fürchtet Güner. Er sieht vor allem ein Problem: „Man erlaubt beinahe jedem die doppelte Staatsbürgerschaft, nur den Türken nicht.“ Tatsächlich dürfen Menschen etwa aus dem Iran de facto beide Nationalitäten behalten.
Das Gesetz definiert Sonderfälle, wenn etwa die Kosten zu hoch sind. „Ausnahmen werden bei bekannten Persönlichkeiten gemacht. Scheinbar gibt es eine solche auch beim Fußballer Nuri Sahin. Er darf beide Pässe haben, obwohl er für die türkische Nationalmannschaft spielt.“