Erschossen an der Mauer: Vor 25 Jahren starb Chris Gueffroy

Berlin (dpa) - Er wollte so gern Amerika sehen. Doch es blieb ein Traum. Wenige Monate vor dem Mauerfall starb der junge Ost-Berliner Chris Gueffroy bei einem Fluchtversuch im Kugelhagel der DDR-Grenztruppen.

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An den Todestag vor genau 25 Jahren erinnerte am Mittwoch die Stiftung Berliner Mauer. Punkt 12.00 Uhr wurde eine Glocke für Gueffroy geläutet.

Zu der Andacht in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße kam auch die Mutter des Getöteten, Karin Gueffroy. Mit fast versteinertem Gesicht entzündete sie eine weiße Kerze für ihren Sohn. Später sagte sie leise, sein Tod sei so ungerecht gewesen. Der Schmerz vergehe nicht.

Der 20-Jährige wollte flüchten, als der Militärdienst in der Nationalen Volksarmee bevorstand. Gueffroy habe sich ohnehin eingeengt, reglementiert und angewidert von der Korruption in der DDR-Gastronomie gefühlt, las Pfarrer Thomas Jeutner aus dem Totenbuch. Darin sind die Schicksale der Berliner Maueropfer verzeichnet.

Der in Pasewalk geborene Chris Gueffroy kam mit seiner Mutter nach Ost-Berlin, als er fünf war. Hier wurde sein Turntalent entdeckt, doch aus einer Karriere wurde nichts. Als sich der aufmüpfige junge Mann weigerte, Offizier zu werden, durfte er auch kein Abitur machen. Damit platzten seine Hoffnungen, Pilot oder Schauspieler zu werden. Chris Gueffroy wurde Kellner.

„Wir spüren bis heute die Ohnmacht, weil ihm so gewaltsam und früh das Leben genommen wurde“, sagte Pfarrer Jeutner in die Stille. Chris Gueffroy stehe für viele Opfer und sei doch einzigartig. Dass die Berliner Mauer mehr als 28 Jahre stand, sei ein großes Unheil gewesen. „Die Mauer schnitt mitten in das Herz der Stadt.“ Am 9. November wird der Mauerfall vor 25 Jahren gefeiert.

Zusammen mit einem Freund erreichte Gueffroy am 5. Februar 1989 gegen 22.30 Uhr in schützender Dunkelheit die Kleingartenkolonie „Harmonie“ im Ost-Stadtbezirk Treptow. Beide hatten gehört, dass der Schießbefehl ausgesetzt sei. Sie näherten sich der Grenze zu Neukölln in West-Berlin. Mit selbstgebauten Wurf-Ankern und „Räuberleiter“ überwanden sie die meterhohe Hinterlandmauer, doch beim Kriechen durch den Signalzaun lösten sie die Alarmanlagen aus.

Nur noch ein Metallzaun trennte die Flüchtlinge vom Westen, doch dann peitschten mehr als 20 Schüsse durch die Nacht. Gueffroy wird ins Herz getroffen und stirbt. Die DDR-Behörden versuchen, seinen Tod zu vertuschen. Selbst bei der Beisetzung beobachten Stasi-Leute die Trauernden. Der Freund Gueffroys wird schwer verletzt und zu einer Haftstrafe verurteilt.

Laut Mauer-Stiftung wurde der Prozess gegen den Todesschützen zum Präzedenzfall. Dieser bekam letztlich eine Bewährungsstrafe. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof eine dreieinhalbjährige Haftstrafe aufgehoben - weil der Soldat in der Hierarchie ganz unten stand. In darauffolgenden Prozessen gegen Mauerschützen wurden dann relativ geringe Strafen verhängt.

Mindestens 138 Menschen wurden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer getötet oder kamen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime ums Leben. Die Zahl der Toten an der gesamten innerdeutschen Grenze steht indes noch nicht endgültig fest. Nach unterschiedlichen Quellen verloren dort zwischen 500 und mehr als 1000 Menschen ihr Leben.

Nach Gueffroy gab es 1989 noch ein weiteres Todesopfer im Zusammenhang mit der Berliner Mauer. Am 8. März stürzte ein 32-Jähriger mit einem selbst gebauten Ballon in Berlin-Zehlendorf ab, nachdem er bereits die DDR-Grenze überwunden hatte.