EU-Staaten ringen um gerechtere Verteilung von Flüchtlingen

Paris (dpa) - Angesichts der dramatischen Flüchtlingssituation streiten die EU-Mitgliedsstaaten weiter um eine gerechtere Verteilung. Deutschland und Frankreich fordern verbindliche Quoten zwischen den EU-Ländern, vor allem osteuropäische Mitgliedsstaaten wehren sich dagegen.

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EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will am Mittwoch ein Konzept zur Verteilung von 120 000 weiteren Flüchtlingen vorstellen. Der Plan wird voraussichtlich einen Verteilungsschlüssel vorsehen, der nach Bevölkerungszahl (40 Prozent), Wirtschaftskraft (40 Prozent), Arbeitslosenzahl (zehn Prozent) und den bisherigen Leistungen bei der Aufnahme von Asylsuchenden bestimmt wird.

Vorab bekräftigen einige Staats- und Regierungschefs ihre Positionen, eine Übersicht:

DEUTSCHLAND: Die Bundesregierung sieht nach der Koalitionseinigung auf ein milliardenschweres Paket zur Flüchtlingshilfe die anderen EU-Staaten am Zug. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte am Montag eine „Kraftanstrengung“ der Europäischen Union. „Die Zeit drängt für eine gemeinsame Lösung.“ Notwendig sei eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge.

FRANKREICH: Präsident François Hollande warnte vor einem Ende des Schengener Abkommens zum freien Reiseverkehr in Europa, falls die EU-Länder sich nicht auf eine verbindliche Verteilung verständigen können. Ohne eine gemeinsame europäische Politik, „gäbe es einen deutlichen Andrang und zweifellos das Ende von Schengen, die Rückkehr nationaler Grenzen“, sagte Hollande in Paris.

Frankreich sei bereit, 24 000 weitere Flüchtlinge aufzunehmen. „Die Europäische Kommission wird vorschlagen, 120 000 Flüchtlinge in den kommenden zwei Jahren zu verteilen, was für Frankreich 24 000 Personen bedeutet. Das werden wir machen“, sagte er.

Während Deutschland in diesem Jahr mit 800 000 Asylsuchenden rechnet, erwarte Frankreich etwa 60 000 Bewerber - annähernd gleich viele wie im Vorjahr. Frankreich erklärte sich bereit, in den kommenden Wochen mehrere hundert bis zu gut tausend Flüchtlinge aufzunehmen, die in den vergangenen Tagen nach Deutschland gekommen sind.

SCHWEDEN: Auch der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven macht sich für ein dauerhaftes, verpflichtendes System zur Verteilung stark. Freiwillige Lösungen seien bei den steigenden Flüchtlingszahlen nicht genug, sagte er bei einer Pressekonferenz in Stockholm.

UNGARN: Ministerpräsident Viktor Orban hält eine Quotenregelung für nicht realisierbar, weil im Schengenraum Reisefreiheit herrsche. „Wie soll das funktionieren?“, sagte er bei der Jahresversammlung ungarischer Diplomaten. „Hat das jemand durchdacht?“ Die EU habe keinen Krisenplan, kritisierte er. Über Verteilungsquoten könne man erst reden, wenn man die Gründe zur Flucht beseitigt habe.

POLEN: Auch nach einem Telefongespräch mit Merkel hält die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz offensichtlich an der Aufnahme von 2000 Flüchtlingen innerhalb von zwei Jahren fest. Kopacz habe Merkel versichert, Polen sei solidarisch, hieß es in einer Mitteilung der Warschauer Staatskanzlei zu dem Gespräch.

Diese Solidarität müsse jedoch verantwortlich sein. Kopacz habe betont, dass für sie die Sicherheit der Bürger Vorrang habe. Das Ausmaß des polnischen Engagements müsse den Möglichkeiten des Landes entsprechen. In den vergangenen Tagen hatte Kopacz mit diesem Argument die Aufnahme von mehr Flüchtlingen stets zurückgewiesen.

GROßBRITANNIEN will in den kommenden Jahren 20 000 aus Syrien geflohene Menschen aufnehmen. Es würden Menschen aus Lagern rund um die syrische Grenze ins Land geholt, sagte Premierminister David Cameron am Montag im Parlament in London. Dabei solle ein Schwerpunkt auf Kindern und Waisen liegen.

Die Flüchtlinge erhielten ein für fünf Jahre gültiges Visum. Großbritannien ist nicht Teil der Schengenzone ohne Grenzkontrollen und beteiligt sich nicht am Programm zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa. In den vergangenen vier Jahren hat das Land nach Regierungsangaben 5000 Syrern Asyl gewährt.