Affäre um G36 Sturmgewehr Experten bescheinigen Sturmgewehr G36 mangelnde Treffsicherheit

Berlin (dpa) - Nach monatelanger Prüfung hat eine vom Verteidigungsministerium eingesetzte Expertengruppe dem Sturmgewehr G36 mangelnde Treffsicherheit bescheinigt.

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Sowohl bei hohen Außentemperaturen als auch bei einer Erhitzung der Waffe durch Dauerfeuer stellten die Fachleute Präzisionsprobleme fest. „Ursächlich für die sinkende Treffwahrscheinlichkeit ist nicht eine der Komponenten, z.B. Munition oder Waffe, sondern das Gesamtsystem“, heißt es in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur in Auszügen vorliegt.

An dem 372 Seiten starken Gutachten haben der Bundesrechnungshof, das Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, eine Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr und das Wehrwissenschaftliche Institut für Werks- und Betriebsstoffe mitgearbeitet. Sie stellen darin folgende Probleme fest:

- Erhitzung bei Dauerfeuer: Konstruktionsbedingt werde das G36 bei Dauerfeuer deutlich heißer als Vergleichswaffen. „Dies führt dazu, dass eine Abnahme der Treffwahrscheinlichkeit beim G36 bereits bei geringen Schusszahlen mit allen untersuchten Munitionssorten und -losen auftritt.“

- Außentemperaturen: Bei einer Veränderung der Außentemperaturen verringere sich die Treffwahrscheinlichkeit „in teilweise erheblichem Umfang“. Die Präzisionsprobleme seien im Bereich 15 bis 45 Grad Celsius am stärksten ausgeprägt.

- Feuchtigkeit: „Der Wechsel zwischen trockener und feuchter Umgebung führt beim G36 zu vergleichbaren Einschränkungen wie eine Änderung der Umgebungstemperatur.“ Die Probleme stellten sich allerdings deutlich langsamer ein.

- Sonneneinstrahlung: Bei seitlicher Sonneneinstrahlung verziehe sich das Waffengehäuse und verlagere sich der Treffpunkt des Gewehrs.

- Munition: Die Treffgenauigkeit unterscheide sich zwischen den Munitionen zwar teilweise um 35 Prozentpunkte ab. Das Präzisionsproblem gebe es aber auch mit den besten Patronen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte das Gutachten im Juli 2014 in Auftrag gegeben. Sie wusste von den wesentlichen Ergebnissen bereits Ende März. Sie hatte sich danach vorbehalten, die rund 167 000 Gewehre dieses Typs in den Beständen der Bundeswehr auszumustern. Der Hersteller Heckler & Koch weist die Vorwürfe zurück und wirft dem Ministerium Rufschädigung vor. Beide Seiten behalten sich Schadensersatzklagen vor.

Die Grünen forderten schnelle Konsequenzen aus dem Bericht. „Ursula von der Leyen sollte sich jetzt besser nicht als die große Aufklärerin inszenieren“, erklärte der Verteidigungsexperte Tobias Lindner. „Sie hat es verpasst, umgehend umfassend auf die Probleme mit dem Gewehr zu reagieren.“ Ein stringenteres Handeln hätte früher zu dem Untersuchungsergebnis führen können.

Das Sturmgewehr gehört seit 1996 zur Standardausrüstung jedes Bundeswehrsoldaten. Dem Ministerium sind mindestens seit November 2011 Zweifel an der Treffsicherheit bekannt. Trotzdem erklärte es noch im September 2013, kurz vor dem Ausscheiden des damaligen Ministers Thomas de Maizière (CDU): „Die Waffe gilt als insgesamt zuverlässig.“