FDP setzt auf Zwölf-Punkte-Plan - Westerwelle wehrt sich
Bergisch Gladbach/Berlin (dpa) - Die FDP will sich mit einem Zwölf-Punkte-Plan wieder auf Inhalte konzentrieren und den Streit um Außenminister Guido Westerwelle hinter sich lassen.
In Parteikreisen hielten sich jedoch hartnäckig Gerüchte, der wegen seiner Libyen-Haltung angeschlagene Westerwelle könnte nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin im September wieder in die Schusslinie geraten. In beiden Ländern droht der FDP nach Umfragen ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkte Westerwelle jedoch den Rücken.
Bei ihrer Klausur auf Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach beschloss die FDP-Bundestagsfraktion eine „Bensberger Erklärung“. Diese umreißt liberale Forderungen wie niedrigere Steuern und Sozialabgaben und markiert die Strategie für die zweite Regierungshälfte bis 2013.
Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, der Beitrag zur Rentenversicherung solle 2013 um mindestens 0,8 Prozentpunkte gesenkt werden. Diese Entlastung könnte für etwa 100 000 neue Arbeitsplätze sorgen. Das Steuersystem müsse verbessert werden, weil der Fiskus den Arbeitnehmern von 100 Euro mehr Lohn 65 Euro abknöpfe.
Sollte sich die von der Opposition regierten Länder im Bundesrat der von Schwarz-Gelb angestrebten Entlastung unterer und mittlerer Einkommen widersetzen, müsse die Koalition alternativ über einen niedrigeren Solidaritätszuschlag nachdenken. Das könnte der Bund alleine durchsetzen, weil ihm der „Soli“ zusteht. Der Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer bringt pro Jahr rund 13 Milliarden Euro ein.
Bei der Euro-Rettung warnt die FDP vor zu viel Macht für die von Berlin und Paris forcierte europäische Wirtschaftsregierung. „Wir wollen keine Wirtschaftsregierung als Instrument der makroökonomischen Feinsteuerung“, heißt es in der „Bensberger Erklärung“. Die Liberalen kritisierten zudem die Europäische Zentralbank (EZB) für deren Kauf von Staatsanleihen maroder Euro-Länder.
Zum Fall Westerwelle sagte Brüderle in Bensberg: „Das Thema ist beendet.“ FDP-Chef Philipp Rösler hatte am Dienstag die Partei aufgerufen, nicht länger über Westerwelle zu streiten. Er solle Außenminister bleiben und gehöre zum Führungsteam der Liberalen. Rösler war zuvor auf Distanz zu Westerwelle gegangen, weil dieser zunächst den militärischen Einsatz der Nato-Partner beim Libyen-Umsturz nicht würdigen wollte.
Merkel sagte offensichtlich mit Blick auf die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zum Libyen-Einsatz: „Wir treffen außenpolitische Entscheidungen gemeinsam und wir vertreten sie auch gemeinsam.“ Sie arbeite mit Westerwelle vertrauensvoll zusammen, seit diese Bundesregierung bestehe. Seine Einschätzung zum Nato-Einsatz decke sich mit ihrer und der Röslers. „Denn natürlich hat die Nato entscheidend dazu beigetragen, dass Gaddafis Regime beendet werden konnte“, sagte die Kanzlerin der „Berliner Morgenpost“ (Donnerstag).
Aus dem Umfeld des angeschlagenen Außenministers verlautete, er sei „nicht glücklich über die Debatte der vergangenen Tage“. „Aber er ist mit dem Ausgang und dem Rückhalt aus der Fraktion und von der Basis zufrieden.“ Westerwelle sei „entschlossen, das Blatt wieder zu wenden“. Das Auswärtige Amt erklärte, von einer „Entmachtung“ des Ministers durch Rösler könne keine Rede sein.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte im Deutschlandfunk, Spekulationen, Westerwelle solle nach den Landtagswahlen abgelöst werden, seien „völlig aus der Luft gegriffen“.
Einer der Nachfolgekandidaten, Entwicklungsminister Dirk Niebel, sagte der „Passauer Neuen Presse“, Westerwelle sei kein Minister auf Abruf. Er selbst strebe kein anderes Amt an. Niebel erklärte aber auch: „Wenn jemand ministrabel ist, ist er es für jedes Ressort.“
Nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen FDP-Landeschefs Daniel Bahr geht die Erholung der in Umfragen abgeschlagenen Liberalen nicht von heute auf morgen. „Wir werden uns verlorengegangenes Vertrauen zurückerarbeiten. Das braucht seine Zeit“, sagte der Bundesgesundheitsminister der „Westdeutschen Zeitung“. Die Fraktionsklausur der Liberalen endet am Donnerstag.