Gauck: Europa muss an Flüchtlingskrise wachsen

Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck hat mehr Solidarität in Europa zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gefordert.

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Bei einem Mittagessen für den griechischen Staatspräsidenten Prokopis Pavlopoulos sagte Gauck in Berlin: „Ohne gesamteuropäische Lösungen werden wir die jetzige Situation nicht bewältigen können. Deshalb gilt es, Solidarität zu gewährleisten und zugleich Solidarität anzunehmen.“ Athen dürfe bei der Sicherung der Außengrenzen nicht alleingelassen werden, sagte Gauck.

Pavlopoulos nannte die Haltung von Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage „sehr tapfer“. Am späten Nachmittag war ein Treffen des Griechen mit Merkel geplant. Neben dem massiven Zuzug von Migranten war bei seinen Gesprächen auch die Umsetzung des griechischen Reformprogramms zur Überwindung der Schuldenkrise Thema. Am Dienstag trifft Pavlopoulos in Frankfurt den Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi.

Gauck sagte bei dem Essen im Schloss Bellevue laut Redemanuskript, die Länder Europas dürften sich nicht wechselseitig die Probleme überlassen. „Wir haben nun die Wahl: Uns von der schieren Größe der Aufgabe lähmen zu lassen oder daran zu wachsen. Für mich ist klar: Es muss darum gehen, an den Herausforderungen zu wachsen.“

Pavlopoulos warf in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) der Türkei vor, Bemühungen der EU zur Verringerung der Zahl von Flüchtlingen zu hintertreiben. „Ich hege die starke Befürchtung, dass die türkischen Menschenschmuggler Unterstützung von den Behörden bekommen. Vor allem Hafenbehörden tun so, als ob sie nichts mitbekämen“, sagte er.

Als Gegenleistung dafür, dass die Türkei die Grenzen besser sichert, soll das Land drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe erhalten. Griechenland will aber erst dann seinen Anteil an dieser Summe zahlen, wenn die Türkei die Zahl der Flüchtlinge reduziert hat. Pavlopoulos sagte: „Bislang hat die Türkei nicht geliefert.“

Der Staatschef würdigte in Berlin auch den deutschen Beitrag für den Verbleib Griechenlands in der EU und der Eurozone. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien „mehr als freundschaftlich“, sagte er bei den Treffen mit Gauck. Athen werde seinen Pflichten aus dem dritten Hilfsprogramm nachkommen. Er forderte zugleich eine „Schuldenregulierung“, was nicht mit einem Schuldenschnitt gleichzusetzen sei.

Der griechische Präsident bekräftigte auch die Forderung nach Reparationszahlungen für deutsche Verbrechen im Zweiten Weltkrieg und nach Rückzahlung eines Zwangskredits aus der Zeit der deutschen Besatzung. Athen wolle diese Forderungen aber nicht einseitig durchsetzen, sondern „im Rahmen der internationalen Rechtskultur.“ Gauck räumte Differenzen bei diesem Thema ein. Beide Länder seien „nicht in allen Rechtsfragen einer Meinung“.