Antrittsbesuch in Berlin Gauck und Van der Bellen: Gemeinsam gegen Nationalismus
Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck und sein österreichischer Amtskollege Alexander Van der Bellen haben gemeinsam zum Widerstand gegen europakritische und nationalistische Tendenzen aufgerufen.
Der Einfluss dieser Strömungen in Europa sei derzeit viel größer als in der Vergangenheit.
Das sagte Gauck bei einer Pressekonferenz mit Van der Bellen in Berlin. Dem müsse ein „Europa der Solidarität“ entgegengesetzt werden.
Zwar seien einige Kompetenzen möglicherweise besser bei den Nationalstaaten angesiedelt, sagte Gauck. „Aber wir wollen nicht alles rückabwickeln.“ Auch bei kritischen Themen wie dem Flüchtlingszuzug müsse immer das Verbindende in den Vordergrund gestellt werden.
Von der Bellen erklärte: „Nationale Souveränität ist eine Illusion.“ Und: „Es gibt überhaupt keinen Grund, in vorauseilendem Gehorsam vor den Vertretern der Kleinstaaterei in die Knie zu gehen.“ Das „Brexit“-Votum der Briten sei eine „tragische Fehlentscheidung“ gewesen. Es habe aber vielen vor allem jüngeren Menschen die Augen geöffnet. „Sie haben verstanden, dass es um ihre Zukunft geht.“
Zum deutsch-österreichischen Verhältnis sagte Van der Bellen: „Wir kennen einander sehr gut - historisch, praktisch und menschlich.“ Als viel kleineres der beiden Länder seien die Österreicher immer „ein bisschen sensibel“, wenn man sie als kleinen Bruder oder Neffen behandele. Aber dies habe sich „sehr verbessert“. Gauck sagte über den neuen Präsidenten in Wien: „Sie sind für viele Deutsche ein Sympathieträger.“
Van der Bellen war nach seinem Amtsantritt im Januar zum ersten Mal in Berlin. In den 70er Jahren hat er mehrere Jahre im Westen der damals geteilten Stadt gelebt. Gauck scheidet am 18. März aus dem Amt. Sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier wollte am Nachmittag mit dem österreichischen Bundespräsidenten zu einem „privaten Gespräch“ zusammentreffen.
Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Van der Bellen warnte Gauck vor zu viel Zentralismus und Bürokratie in Europa. Die Europäische Union wolle nationale Identitäten nicht auslöschen, sondern integrieren, sagte er laut Redemanuskript. Damit werde den Anfeindungen des Nationalismus und Populismus am besten widerstanden.