Arbeitsminister fordert Konsequenzen Heil: Tönnies muss für Schäden durch Coronavirus-Ausbruch haften
Berlin · Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) fordert, dass der Fleischkonzern Tönnies für die Schäden des Coronavirus-Ausbruchs im Kreis Gütersloh haften muss. Der Konzern habe nicht nur die eigenen Beschäftigten, sondern die „öffentliche Gesundheit" gefährdet.
Der Fleischkonzern Tönnies wird nach Ansicht von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für durch den Coronavirus-Ausbruch im nordrhein-westfälischen Kreis Gütersloh entstandene Schäden haften müssen. "Es muss eine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens geben", sagte Heil am Sonntagabend. Der Konzern habe mit Verstößen gegen die Corona-Regeln "eine ganze Region in Geiselhaft genommen".
Konzernchef Clemens Tönnies hatte sich am Samstag öffentlich für den Ausbruch des Erregers unter Mitarbeitern des Schlachtereibetriebs im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück entschuldigt. Sein Konzern stehe in "voller Verantwortung", sagte er. Nach Angaben des Kreises Gütersloh, in dem Rheda-Wiedenbrück liegt, wurden die Reihentests auf dem Tönnies-Gelände am Samstag abgeschlossen. Demnach lagen zunächst 5899 Befunde vor. Davon waren 1331 positiv, also mehr als ein Fünftel. Die komplette Tönnies-Belegschaft steht derzeit unter Quarantäne.
Heil sagte in der "Bild"-Internetsendung "Die richtigen Fragen", sein Vertrauen in die Firma Tönnies sei "gleich Null". Der Konzern habe nicht nur die eigenen Beschäftigten, sondern die "öffentliche Gesundheit" gefährdet. Den "Unmut" im Kreis Gütersloh über das Unternehmen könne er "gut verstehen". Derzeit stehen allgemeine Ausgangsbeschränkungen für den Kreis im Raum. Ein flächendeckender Lockdown sei "im Moment nicht ausschließen", hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zuvor am Sonntag gesagt.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter appellierte an den Unternehmenschef, die durch den Virus-Ausbruch entstandenen Kosten aus der eigenen Schatulle zu bestreiten. Wenn Clemens Tönnies seine Entschuldigung ernst meine, "würde er die Kosten aus seinem Privatvermögen tilgen - nicht aus dem Firmen-Vermögen", sagte Hofreiter in "Die richtigen Fragen".
Der Virus-Ausbruch bei Tönnies hat die Debatte um einschneidende Veränderungen in der Fleischindustrie weiter befeuert. Kritiker machen schlechte Arbeitsbedingungen und die Unterbringung von - meist osteuropäischen Mitarbeitern - von Subunternehmen für die Serie von Coronavirus-Ausbrüchen in der Branche mitverantwortlich.
Das Bundeskabinett hatte bereits im Mai neue Auflagen für die Fleischindustrie auf den Weg gebracht. Vorgesehen ist unter anderem ein Verbot von Werkverträgen, das ab dem 1. Januar 2021 gelten soll. Danach sollen nur Angestellte des eigenen Betriebs Tiere schlachten und zerlegen dürfen.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans forderte höhere Fleischpreise und eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland. "Fleisch ist ein Produkt, das mit hohem Einsatz an Energie und anderen Rohstoffen entsteht. Wert und Preis stehen oft in einem krassen Missverhältnis", sagte Walter-Borjans dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Fall Tönnies zeige, "wie wenig Beachtung der Frage geschenkt wird, wie Nahrung - immerhin unsere wichtigste Lebensgrundlage - produziert wird".
Alles sei "dem Gewinnstreben und der Effizienz untergeordnet", kritisierte der SPD-Vorsitzende. Dabei habe Politik die Aufgabe, gute Arbeitsbedingungen und artgerechte Tierhaltung zu gewährleisten. Dies verteuere Produkte natürlich. "Deshalb gehört zur Lösung dazu, dass Klein- und Mittelverdienende mehr Geld in der Tasche haben - durch faire Löhne und ein gerechtes Steuersystem", betonte Walter-Borjans.
Grünen-Fraktionschef Hofreiter bezeichnete "das ganze System" in der Fleischbranche als "krank". Besserungen seien nur zu erreichen, wenn das gesamte System geändert werde. Das von der Bundesregierung geplante Ende der Werkverträge zum Jahresbeginn 2021 bezeichnete Hofreiter als verspätet. Angesichts der Serie von Coronavirus-Ausbrüchen in Schlachtbetrieben könne nicht so lange gewartet werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner kündigte grundlegende Veränderungen in der Fleischbranche an, verwies dazu aber auf den vorliegenden Gesetzentwurf der Regierung. "Das System kann so nicht fortbestehen. Die Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche müssen verbessert werden", sagte die CDU-Politikerin der "Passauer Neuen Presse".