Kritik an Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen
Wiesbaden (dpa) - Zu kleine Zellen, Videoüberwachung auf der Toilette, lange Einzelhaft - die deutsche Anti-Folter-Stelle prangert in ihrem neuen Bericht schlechte Bedingungen in mehreren deutschen Gefängnissen an.
„Die Nationale Stelle ist auf keine Anzeichen von Folter gestoßen“, heißt es im Jahresbericht 2010/2011 der Behörde von Bund und Ländern in Wiesbaden. „Allerdings hat sie in mehreren Fällen Missstände festgestellt, die nicht akzeptiert werden können.“
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter überwacht seit 2008 Zustände in Justizvollzugsanstalten, psychiatrischen Kliniken, Abschiebehaft sowie Gewahrsamseinrichtungen von Polizei, Bundeswehr und Zoll. Grundlage ist die UN-Konvention gegen Folter von 1984.
Über die Jugendstrafanstalt Berlin schrieben die Prüfer: „Der besonders gesicherte Haftraum befand sich (...) in einem unhygienischen, ekelerregenden Zustand.“ Eine fleckige Schaumstoffmatratze sei mit toten Insekten übersät gewesen. Toilette und Wasserspender waren verdreckt. „Diese Form von Verschmutzung kann als Verletzung der Menschenwürde empfunden werden.“
Nach solchen Beschwerden der Anti-Folter-Stelle müssen die Justizbehörden Stellung nehmen und Abhilfe schaffen. Oft gingen die Berichte nur zögerlich oder auf Nachfrage ein, klagten die Prüfer.
Häufiger Kritikpunkt war, dass Häftlinge, die unter besonderer Beobachtung stehen, auch beim Toilettengang per Video oder einen Weitwinkelspion kontrolliert werden können. Dies sei eine Verletzung der Intimsphäre. Die Anti-Folter-Stelle forderte, die Toilettenecke auf dem Videobild zu verpixeln. In Bernau am Chiemsee (Bayern) und anderen Justizvollzugsanstalten fanden Prüfer Zellen zu klein oder überbelegt. Es gebe auch zu wenig Arbeit oder Bildungsangebote.
Dies kritisierte auch die Initiative bayerischer Strafverteidiger. „Bauliche Mängel und Personalprobleme sind das eine. Der gravierendste Gesichtspunkt ist aber aus unserer Sicht, dass zu wenig für die Resozialisierung getan wird. Leute werden nach langjährigen Haftstrafen unvorbereitet auf die Straße gestellt“, sagte der Münchner Anwalt Markus Meißner.
Überwachung durch Weitwinkelspione oder Video bemängelten die Prüfer auch in den Gewahrsamsräumen der Bundespolizei an Bahnhöfen und Flughäfen. Dienststellen der Polizei mussten sich den Hinweis gefallen lassen, dass Gefangene nicht ordentlich über ihre Rechte aufgeklärt würden. Dies galt auch für die Arbeit der Feldjäger an einigen Bundeswehrstandorten.