Postenvergabe spaltet EU-„Chefs“

Brüssel (dpa) - Die EU-Regierungen können sich nicht über Brüsseler Schlüsselposten einigen. Die Staats- und Regierungschefs drohten mit ihrem Vorhaben zu scheitern, beim EU-Sondergipfel über den neuen Chefdiplomaten und den Ratspräsidenten zu entscheiden.

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Die Beschlüsse könnten auf August verschoben werden, berichteten Diplomaten am Rande des Spitzentreffens. Umstritten war vor allem die Kandidatur der Italienerin Federica Mogherini als Außenbeauftragte. Kritiker aus Osteuropa hielten ihr vor allem mangelnde Erfahrung vor.

Von Anfang an gab es verhärtete Fronten. Das Treffen in Brüssel begann mit zwei Stunden Verspätung. Zuvor suchten die Staats- und Regierungschefs in kleinen Runden nach Kompromissen. Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss explizit nicht aus, dass es nur „eine erste Diskussion“ zu den Top-Personalien geben könnte. Auch andere Staats- und Regierungschefs äußerten sich skeptisch.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte von den Staats- und Regierungschefs schnelle Entscheidungen. „Ich erwarte, dass sich der Rat zügig auf die Personalien verständigt und möglichst schnell und konstruktiv zu Ergebnissen kommt“, sagte Schulz nach einer Debatte mit den Gipfel-Teilnehmern. Der Sozialdemokrat bekräftigte zugleich, dass seine Parteienfamilie Anspruch auf zwei der vier Brüsseler Top-Posten erhebe. Am Dienstag war bereits der konservative Luxemburger Jean-Claude Juncker im Europaparlament mit breiter Mehrheit zum Kommissionspräsidenten gewählt worden. Zur Debatte steht auch ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister.

Kanzlerin Merkel sprach sich für ein Personalpaket aus. „Ich bin dafür, dass wir, wenn wir entscheiden, dann auch die offenstehenden Fragen sehr umfassend klären. Ob das heute schon gelingt, glaube ich eher nicht“, sagte Merkel (CDU). Frankreichs Präsident François Hollande erklärte, seinem Land komme es weniger auf Personen als auf Ziele und Ausrichtung an. Über die beiden Spitzenjobs werde seit Tagen gesprochen. „Entschieden ist noch gar nichts“, sagte der österreichische Kanzler Werner Faymann.

Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sagte, es werde eine einvernehmliche Lösung angestrebt. Die Suche sei schwierig, „weil sich 28 Länder einigen müssen.“ Thorning-Schmidt wurde selbst als Nachfolgerin des noch bis Ende November amtierenden Ratspräsidenten Herman Van Rompuy gehandelt. Sie sagte, sie sei keine Kandidatin.

Die Chancen von Mogherini, neue Außenbeauftragte zu werden, sanken schon vor Gipfelbeginn. Kritiker warfen der 41-jährigen Linken mangelnde Erfahrung vor, weil sie erst seit Februar im Amt ist. Osteuropäern ist Mogherini zu russlandfreundlich. Litauens Regierungschefin Dalia Grybauskaite sagte, sie werde keinen „Pro-Kreml“-Kandidaten unterstützen. Der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt forderte zugleich eine rasche Einigung auf einen Außenbeauftragten. Denn dieser ist auch Vize-Chef der EU-Kommission, die über den Sommer neu zusammengestellt wird.

Als mögliche Alternative zu Mogherini galt die konservative bulgarische EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgiewa. Im Gespräch waren laut Elmar Brok (CDU), dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, auch der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, der schwedische Außenminister Carl Bildt und die französische Politikerin Elisabeth Guigou.

Laut Lissabon-Vertrag ist bei der Kandidatenkür für die Topposten Kommissionschef, Ratspräsident und Außenbeauftragter die geografische und demografische Vielfalt der Union zu berücksichtigen. Auch eine Balance zwischen Frauen und Männern sowie den großen Parteifamilien wird angestrebt.

Weitere Themen des eintägigen Treffens sind die Ukraine und die Gewalt im Nahen Osten. Die EU bereitet eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland vor. Sie wolle jetzt auch Unternehmen, die zur Destabilisierung der Ukraine beitragen, auf eine schwarze Liste setzen, sagten EU-Diplomaten. Außerdem sollen laut einem internen Gipfeldokument Finanzierungen der Europäischen Investitionsbank EIB und der Osteuropabank in Russland eingeschränkt werden. Merkel betonte, dass „der russische Beitrag zu einem Frieden in der Ukraine noch nicht ausreichend“ sei.