Sachsen-Anhalt wählt - Spannung wegen Atom-Debatte
Magdeburg (dpa) - Spannung vor der zweiten Landtagswahl des Superwahljahres in Sachsen-Anhalt: Vier Wochen nach Hamburg können an diesem Sonntag rund zwei Millionen Menschen über die Zusammensetzung des Parlaments in Magdeburg entscheiden.
Noch vor kurzem beherrschten landespolitische Fragen den eher ereignisarmen Wahlkampf in dem schwarz-rot regierten Bundesland - nun wird sich womöglich auch die deutsche Atom-Debatte nach dem Nukleardesaster in Japan auswirken.
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die CDU zu einem engagierten Schlussspurt im Wahlkampf auf. Das Ziel der CDU sei, am Sonntag deutlich stärkste Kraft zu werden, sagte die Parteivorsitzende am Freitagabend beim Wahlkampfabschluss in Dessau-Roßlau mit dem Spitzenkandidat Reiner Haseloff. SPD-Chef Sigmar Gabriel stärkte dem sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Jens Bullerjahn den Rücken. „Er muss Ministerpräsident werden“, sagte er in Halle beim Endspurt der SPD im Wahlkampf.
Umfragen zufolge können vor allem die Grünen, die in Magdeburg bislang nicht im Landtag vertreten sind, derzeit bundesweit zulegen. Im Gegensatz zu Baden-Württemberg, wo eine Woche später gewählt wird, gibt es in Sachsen-Anhalt allerdings keine Kernkraftwerke, und das Atom-Thema spielte im Landtagswahlkampf kaum eine Rolle. Unklar ist auch, ob die CDU unter der Plagiats-Affäre um den kürzlich zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu leiden haben wird.
Zuletzt hatten die Parteien in dem östlichen Bundesland den möglichen Einzug der rechtsextremen NPD in den Landtag thematisiert. In einem gemeinsamen Appell riefen sie diese Woche die Wähler zur Wahl auf, um Rechtsextremen nicht durch eine geringe Beteiligung den Weg ins Parlament zu erleichtern. Nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wäre es der dritte Landtag im Osten, in dem die NPD derzeit vertreten wäre. 2006 lag die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt mit 44,4 Prozent so niedrig wie bei keiner Landtagswahl in Deutschland zuvor.
Derzeit wird Sachsen-Anhalt von einer CDU/SPD-Koalition unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) regiert, der mit 75 Jahren allerdings nicht wieder antritt. Den letzten Umfragen zufolge, die allerdings vor der Atomkatastrophe erhoben worden waren, bleibt die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Reiner Haseloff (57) mit 32 Prozent stärkste Partei. Die SPD unter Jens Bullerjahn (48) liegt bei 24 Prozent. Damit wäre eine Fortsetzung des Bündnisses, das von mehreren Politikern beider Parteien angestrebt wird, leicht möglich.
Allerdings wäre in Sachsen-Anhalt auch ein rot-rotes Bündnis denkbar. Die Linke war 2006 zweitstärkste Partei geworden und lag zuletzt gleichauf mit der SPD. Die Spitze der Sozialdemokraten hat ausgeschlossen, im Fall einer rot-roten Bündnisoption erstmals einen Linke-Politiker zum Ministerpräsidenten zu wählen. Linke-Kandidat Wulf Gallert (47) wiederum will das Spitzenamt nicht der SPD überlassen, wenn seine Partei erneut auf Platz zwei kommt. Daher ist ein rot-rotes Bündnis nur dann wahrscheinlich, wenn die SPD vor den Linken liegt. Im Bereich der Fünf-Prozent-Hürde liegt den Umfragen zufolge die FDP.
Im Wahlkampf waren alle Parteien zuletzt auf Distanz zur Atomkraft gegangen. Sachsen-Anhalt hat bereits zahlreiche Anlagen für Windenergie und große Potenziale für nachwachsende Rohstoffe. Der Wahlkampf war vor allem von der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit geprägt. Diese war in den vergangenen Jahren zwar massiv gesunken, lag zuletzt aber noch bei 13 Prozent. Die Förderung der Wirtschaft und die Anhebung der oftmals deutlich schlechteren Löhne im Osten wurden thematisiert. Auch über die Schulpolitik gab es Streit. Ein großes Problem hat Sachsen-Anhalt auch mit der demografischen Entwicklung, die nicht nur auf von einer geringen Geburtenrate, sondern auch von massiver Abwanderung geprägt ist. 1990 lebten in dem Land fast drei Millionen Menschen - heute hat das Land rund 2,3 Millionen Einwohner.
Bei der Wahl 2006 lag die CDU mit 36,2 Prozent (40 Sitze im Landtag) klar vorn. Dahinter folgten Linkspartei (24,1 Prozent/26 Sitze), SPD (21,4 Prozent/24 Sitze), FDP (6,7 Prozent/7 Sitze ) und Grünen (3,6). Für die am Sonntag zu vergebenden 91 Sitze (ohne Überhangmandate) bewerben sich 13 Parteien mit Landeslisten und insgesamt 389 Bewerber.